Hahnenkämpfe und Hochrüstung
Von Jörg Kronauer
Das Spektrum der Themen, die in dieser Woche auf der Paris Air Show diskutiert werden, ist breit: die transatlantische Rivalität zwischen Airbus und Boeing, dazu innereuropäische Streitigkeiten in der Luft- und Raumfahrtbranche. Und über allem die Hochrüstung der EU, nicht nur mit Kampfjets und Drohnen, sondern auch im Weltall. All dies wird auf der weltgrößten Luft- und Raumfahrtmesse Gegenstand sein, die am Montag auf dem Flughafen Le Bourget im Norden der französischen Hauptstadt eröffnet wurde. Rund 2.400 Aussteller aus 48 Ländern sind angemeldet, darunter rund 1.100 aus Frankreich, 450 aus den USA, 120 aus Italien und jeweils rund 100 aus Deutschland und Großbritannien. Um die 300.000 Besucher werden erwartet.

In der Rivalität zwischen Airbus und Boeing hat der europäische Konzern derzeit die Nase vorn. Er konnte im vergangenen Jahr 766 zivile Flugzeuge ausliefern und verzeichnet rund 8.700 Bestellungen; 40 neue Bestellungen der saudi-arabischen Firma Avilease kamen am Montag hinzu. Boeing hingegen konnte 2024 lediglich 348 zivile Flugzeuge an die Käufer übergeben und zählt zur Zeit nur knapp 6.000 Aufträge – eine Folge nicht zuletzt der technischen Probleme rund um die Boeing 737 Max, die 2018 und 2019 gar zu Abstürzen führten. Boeing wollte die Paris Air Show eigentlich nutzen, um öffentlich wieder in die Offensive zu gehen. Nach dem Absturz einer Boeing 787 Dreamliner vergangene Woche in Indien sagte Konzernchef Kelly Ortberg jedoch die Teilnahme an der Messe in Le Bourget ab. Aktuelle Marktprognosen gehen davon aus, dass weltweit bis 2044 über 43.400 neue Passagier- und Frachtflugzeuge benötigt werden. Dabei werden Airbus und Boeing jedoch den Markt kaum allein unter sich aufteilen können: Chinas Flugzeughersteller Comac drängt mit den ersten Modellen in den Verkauf und erhält inzwischen auch internationale Aufträge, etwa aus Brasilien und aus Indonesien.

Einen größeren Stellenwert denn je nimmt auf der Paris Air Show die Hochrüstung ein, für die allein die Staaten der EU in den nächsten Jahren dreistellige Milliardensummen ausgeben wollen. 926 der rund 2.400 Aussteller gehören unmittelbar der Rüstungsbranche an; alles in allem sollen laut Angaben der Veranstalter 45 Prozent der Messe dem weiteren Themenfeld »Verteidigung und Sicherheit« zuzuordnen sein – mehr als je zuvor. Besonderes Interesse gilt der Drohnenproduktion, die wegen ihrer immensen Bedeutung im Ukraine-Krieg als Zukunftsbranche eingestuft wird. Europäische Hersteller lägen weit zurück, könnten aber mit einem Sprung auf das nächste Technologielevel bereits in wenigen Jahren aufholen, hatte Frankreichs Verteidigungsminister Sébastien Lecornu Ende Februar prognostiziert. Auch der mittlerweile in Entwicklung befindliche europäische Starlink-Rivale IRIS2 dürfte in Le Bourget diskutiert werden. IRIS2, auch militärisch wichtig, könnte zum nächsten Paradebeispiel dafür werden, wie die innereuropäische Rivalität den Fortschritt der EU torpediert: Berichten zufolge zieht die Bundesregierung einen Ausstieg aus dem Projekt und einen nationalen Alleingang beim Aufbau eines Satellitennetzwerks in Betracht. Der Grund: Angeblich profitieren Konzerne aus Frankreich zuviel von IRIS2, deutsche hingegen zuwenig.
Proteste hat die Anwesenheit israelischer Unternehmen auf der Paris Air Show ausgelöst. Bereits vorab hatte Stéphane Troussel, Präsident des Departements Seine-Saint-Denis, in dem Le Bourget liegt, seine Teilnahme abgesagt. Mit Blick auf das Mordgeschehen in Gaza könne man israelischen Waffenschmieden nicht »den roten Teppich ausrollen«, hatte der Politiker der Parti Socialiste (PS) erklärt. Am Montag kam es zu einem Eklat, als die Messeleitung die Stände der vier israelischen Konzerne IAI (Israel Aerospace Industries), Rafael, Elbit und Uvision schloss – mit der Begründung, sie hätten Offensivwaffen ausgestellt. Drei kleinere israelische Rüstungsfirmen und das israelische Verteidigungsministerium waren nicht betroffen. Für das Wochenende kündigt ein antimilitaristisches Bündnis mit dem Namen Guerre à la guerre (Krieg dem Krieg) breite Proteste gegen die Aufrüstung und den Salon du Bourget, wie er in Frankreich genannt wird, an.
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