Gegründet 1947 Dienstag, 17. Juni 2025, Nr. 137
Die junge Welt wird von 3011 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 16.06.2025, Seite 11 / Feuilleton
Warenkunde

Küchenpsychologie: Herrenschuhverkauf

Von Bernhard Spring
imago100256595.jpg
Möchte man in diesen furchtbaren Laden?

Einkaufen macht Spaß, solange man nichts braucht. Aber wenn es doch mal höchste Zeit für ein paar neue Schuhe ist – und vorher denken Männer nicht im Traum daran, einen Schuhladen aufzusuchen –, geht der Ärger los. Die Regale sind voller hässlicher Modelle, und findet man doch einmal ein schönes Paar, gibt es das nicht in der gewünschten Größe. Und nachdem man drei mittelmäßige Schuhe ausprobiert hat, ist die ohnehin schon kaum vorhandene Lust endgültig verflogen, und man will einfach nur noch raus aus diesem furchtbaren Laden.

Warum sind Männer so – und Frauen ganz anders?

Nun könnte der Biologe sagen: Weil Männer eben Jäger sind und Frauen Sammler. Sie sind viel geduldiger, viel wählerischer. Männer hingegen fassen ein Ziel ins Auge und schlagen zu – oder geben auf.

Der Konsumpsychologe – falls es ihn gäbe – würde wohl eine ähnliche Antwort finden. Weil Frauen aufgeschlossenere Käufer sind, werden eher Frauenschuhe in den Schaufenstern gezeigt. Hinter der Ladentür schließt sich direkt das Sortiment für Frauen an. Männerschuhe werden erst weiter hinten im Laden oder auf einer anderen Etage gezeigt. Wie bei der Rettung zu See gilt: erst die Frauen, dann die Kinder, zum Schluss die Männer.

Wirtschaftlich ist das sinnvoll: Deutsche Frauen besitzen im Schnitt 20 Paar Schuhe, Männer nur die Hälfte. Außerdem kaufen Frauen pro Jahr dreimal mehr Schuhe als Männer. Als Kunden sind sie deutlich attraktiver.

Aber was bedeutet das für die Männer? Weil sie als Käufergruppe weniger interessant sind, wird ihnen der Zugang zur Ware erschwert. Sie müssen sich erst an Frauen vorbeizwängen, die debattieren, ob die Mary Janes lieber eierschalen- oder champagnerfarben sein sollten, um vom Gekreische aufgeregter Mädchen und bockiger Jungs malträtiert zu werden – bis sie sich schließlich in die ruhigen Sphären der Herrenabteilung retten. Dass nun kaum noch Nerven übrig sind, um die Ware eingehend zu begutachten, versteht sich praktisch von selbst.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Mehr aus: Feuilleton

                                                                   junge Welt stärken: 1.000 Abos jetzt!