Rassistischer Mob wütet in Nordirland
Von Dieter Reinisch
Montag nacht kam es zu rassistischen Ausschreitungen in der nordirischen Stadt Ballymena. Hunderte Personen hatten sich zu einem Protest versammelt, da über das Wochenende Informationen in den digitalen Netzwerken kursierten, dass es einen sexuellen Übergriff auf eine Jugendliche in der Stadt gegeben habe. Am Montag erschienen zwei 14jährige in Zusammenhang mit dem sexuellen Übergriff vor dem Regionalgericht, die beide amtliche rumänische Übersetzer benötigten. Die Jugendlichen betonten ihre Unschuld, berichtete die BBC.
Bei dem Protest im Stadtteil Clonavon Terrace, wo sich der versuchte sexuelle Übergriff auf das Mädchen ereignet haben soll, errichteten Jugendliche und junge Männer jedoch später Straßenbarrikaden aus brennenden Mülleimern und anderen Gegenständen, wie auf im Internet geposteten Videos zu erkennen ist. Sie griffen außerdem die Häuser von Geflüchteten an. Die Polizei reagierte mit einem großen Aufgebot. Ballymena hat etwa 30.000 Einwohner und liegt nördlich von Belfast. Loyalistische Paramilitärs wie die Ulster Defence Association sind in der mehrheitlich protestantischen Stadt stark vertreten.
Gruppen, die den unionistischen Milizen nahestehen, haben in den vergangenen Jahren gemeinsam mit britischen Neofaschisten wie der English Defence League und Britain First regelmäßig rassistische Proteste in Nordirland organisiert. Dabei kam es immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen auf Wohnhäuser und Geschäfte von Geflüchteten. Im vergangenen August wurden als Ausländer markierte Menschen im loyalistischen Süden von Belfast über mehrere Tage hinweg angegriffen. Mehrere Geschäfte wurden damals in Brand gesetzt, als ein extrem rechter Mob durch die nordirische Hauptstadt zog – auf der Suche nach vermeintlichen Einwanderern.
Die Unruhen am Montag in Ballymena dauerten bis tief in die Nacht. Dabei wurden ebenfalls mehrere Häuser angegriffen und einige in Brand gesteckt. Maskierte Personen warfen Farbdosen, Glasflaschen, Feuerwerkskörper u. ä. auf die Polizei. In einer Pressemitteilung der nordirischen Polizei von Montag nacht hieß es: »Mehrere Geschosse wurden auf die Polizei abgefeuert, und es kam zu Sachschäden an mehreren Gebäuden.« Die Staatsgewalt mahnte »Autofahrer und Fußgänger, den Bereich um die Clonavon Road bis auf weiteres zu meiden«.
Polizeichefin Sue Steen sagte gegenüber der Press Association: »Wir fordern alle dringend auf, Ruhe zu bewahren und verantwortungsvoll zu handeln. Gewalt und Unruhen gefährden die Menschen nur noch mehr.« Laut Polizeiangaben sollen 15 Beamte bei den rassistisch motivierten Angriffen verletzt worden sein. Die Abgeordnete des Regionalparlaments der liberalen Alliance Party, Sian Mulholland, sagte gegenüber der BBC am Dienstag, dass eine Familie mit drei kleinen Kindern habe flüchten und sich auf ihrem Dachboden verbarrikadieren müssen.
Mehrere Männer wurden wegen des Verdachts gewalttätigen Verhaltens, der Sachbeschädigung und des Widerstands gegen die Staatsgewalt festgenommen. Der Westminster-Abgeordnete für North Antrim, Jim Allister von der Traditional Unionist Voice, sagte, die Gewalt sei »sehr beunruhigend«. Gegenüber der BBC gab der Vorsitzende der rechtskonservativen Partei aber den Opfern die Schuld für die Angriffe: Der »Kontext« der Demonstration sei der »signifikante demographische Wandel in der Region« aufgrund der »ungehinderten Einwanderung«, so Allister.
In den sozialen Medien zirkulieren mehrere Videos von den Ausschreitungen. In einem davon ist laut Irish News zu hören, dass eine Frau, die einen Angriff auf die Häuser beobachtete, ihre Besorgnis darüber äußerte, dass Trümmer abprallen und die Marodeure oder Schaulustige treffen könnten: »Seid vorsichtig, Jungs«, sagte die Frau demnach. Ein Mann teilt ihr dann mit, dass sich »jemand gerade in dem Raum« eines der angegriffenen Häuser befinde. »Ja, aber sind die von hier?« antwortet die Frau: »Wenn sie von hier sind, müssen sie raus. Wenn nicht, sollen sie verdammt noch mal drinnen bleiben«.
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