Gegründet 1947 Sa. / So., 07. / 8. Juni 2025, Nr. 130
Die junge Welt wird von 3011 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 07.06.2025, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

jW_Leserbriefe_Standart.jpg

»Sozialistische und pazifistische Werte«

Zu jW vom 24./25.5.: »Merkste was?«

Es ist von seiten der Justiz geradezu absurd, dass Roger Waters ohne weiteres auf der »The Wall«-Tour 2010 bis 2013 mit exakt diesen Zutaten auftreten durfte und sogar ein Maschinengewehr mit Platzpatronen bei »In The Flesh (Part 2)« abfeuern konnte und niemand was gesagt hat. Nur weil sich Roger Waters von vorneherein gegen die Kriegsmaschinerie des Westens gestellt hat und dies seit mehr als 40 Jahren tut (»The Final Cut«, »Bring the Boys Back Home« 1990 in Berlin, »Amused to Death«), ist er in Ungnade gefallen. Er ist kein woker Typ, sondern vertritt tatsächlich traditionell sozialistische und pazifistische Werte, die seitens der Kapitalisten gehasst werden. Und er nimmt im Gegensatz zum Renegaten Bob Dylan kein Blatt vor den Mund. »Is This the Life We Really Want« spricht eine Sprache für sich. Wenn ein Pazifist der besten Sorte symbolisch zur Waffe greift als Kunstfigur, so ist das nicht antisemitisch, sondern humanistisch. Nur weil er in bezug auf Israel tatsächlich einige problematische Sätze gesagt hat, die aus einem verbitterten Herzen kommen, sollte man ihn weiterarbeiten lassen, denn solange Roger Waters kreativ ist, fürchten sich die Menschen vor politischer Kreativität, die mit hervorragender Kunst verbunden mehr bewirkt als so manche Demonstration unter dem Regenbogen. Genug der Worte, die Welt will Taten sehen. Nukleare Abrüstung aller Staaten sofort!

Christoph Rhein, per E-Mail

Freischwimmer des Tages

Zu jW vom 30.5.: »Preisträger des Tages: Ilko-Sascha Kowalczuk«

Die verallgemeinernden Aussagen zum Denken und Handeln seiner »östlichen« Landsleute sind immer wieder erstaunlich. Man möchte meinen, er sei im »goldenen Westen« geboren. Zumindest hört es sich danach an, als würde ein Nichtschwimmer darüber aufklären, ob Brust, Rücken oder Delphin die beste Art ist, sich über der Wasseroberfläche zu halten. Es ist fast bedauerlich, dass seine tiefe Ablehnung der eigenen DDR-Vita und all dessen, was er wohl durchlitt, auch in der Bundesrepublik nicht schnurgerade in die Komfortzone führte. Insofern ist es jedoch interessant, mit wie viel Engagement er versucht, mit allen Mitteln der Verzweiflung doch noch einen »schwarz-rot-goldenen« Schwimmring zu erhaschen. Deutlicher ausgedrückt: Unreflektiert, eigensinnig, in seiner Welt gefangen, klingt das nach absoluter Einbahnstraße. Vielleicht sollte man ihm die Selbstfindung wirklich auch selbst überlassen, ehe man versucht, eine Bedeutung in seinen Auftritten oder gar Büchern zu finden. Am Ende würde man noch genauso durch das Leben laufen wie Kowalczuk selbst.

Horst Hannsen, per E-Mail

Wegwerfen als Tugend

Zu jW vom 5./6.6.: »Merz lässt putzen«

Mehr arbeiten fürs Wegwerfen – ein Fortschrittsmodell? Die Regierung sorgt sich: Die Menschen wollen nicht mehr rund um die Uhr schuften, sondern reden neuerdings von »Work-Life-Balance«. Wie faul ist das denn? Offenbar reicht es nicht mehr, jeden Morgen mit Kaffee und Augenringen ins Büro zu taumeln und sich am Feierabend gerade noch zum Discounter zu schleppen, um dann bei Netflix einzuschlafen. Nein, jetzt will man auch noch leben – eine Frechheit! Dabei könnten wir so viel mehr leisten: noch mehr Produkte produzieren, die nach halber Nutzungsdauer auf dem Müll landen. Noch schneller Kleidung wegwerfen, weil sich die Mode inzwischen wöchentlich ändert. Noch öfter das neueste Handy kaufen, das exakt das gleiche kann wie das alte – nur mit größerer Kamera für das Burnout-Selfie. Und wer eignet sich besser als Vorbild für dieses Verhalten als der Hamster? Der ist zwar klein und süß, hat aber das große Talent, Körner zu horten, die er nie essen wird. Ein echter Leistungsträger! Kein Wunder, dass das Image des Hamsters inzwischen leidet – vermutlich zu wenig Output pro Körnerstunde. Die Regierung will offenbar, dass wir uns alle ein bisschen mehr wie Hamster verhalten: schaffen, horten, konsumieren, entsorgen. Möglichst ohne zu fragen, ob das alles Sinn ergibt. Wer hingegen über Sinn, Nachhaltigkeit oder gar Lebensfreude nachdenkt, wird als »faul« beschimpft. Vielleicht sollten wir statt dessen mal fragen: Für wen arbeiten wir eigentlich? Und wozu? Vielleicht liegt das Problem nicht bei den »faulen« Menschen – sondern bei einer Wirtschaftspolitik, die das Wegwerfen zur Tugend gemacht hat. Aber wem dient das ganze? Je mehr gearbeitet wird, desto mehr Profit entsteht, den sich wenige unter den Nagel reißen. Das ist der Sinn des ganzen.

Eberhard Licht, Berlin

Schule und Krieg

Zu jW vom 27.5.: »Befindlichkeiten bei der GEW«

Ist es nicht eigentlich unverständlich, dass eine Lehrergewerkschaft zwar versteht, wie groß die Mittellücke im Bildungssystem der BRD ist, aber nicht wissen will, dass alle Bildung sinnlos wird, wenn die Schüler lediglich dazu ausersehen sind, in künftigen Kriegen zu krepieren? Ich kann nur immer wieder empfehlen, gerade heute wieder die Bücher von Erich Maria Remarque zur Hand zu nehmen. Besser als in »Der Weg zurück« kann man diesen Wahnsinn nicht beschreiben. Was soll Schule, wenn sie nicht verstehen will, auch die Zukunft ihrer Schüler zu bedenken und zu behüten?

Joachim Seider, Löcknitz

Keine Kohle

Zu jW vom 2.6.: »Leerstand besetzt«

»190 Polizisten und ein Helikopter rückten an« … aber kein Geld vom Senat für Krankenhäuser, Schulen, Jugendzentren und sonstige Infrastruktur? Kann jemand endlich mal berechnen, was die absurd übertriebenen und gewaltsamen Polizeieinsätze gegen Pro-Palästina-Proteste in den vergangenen zwei Jahren gekostet haben?

Jan Ralske, Berlin

Wer hingegen über Sinn, Nachhaltigkeit oder gar Lebensfreude nachdenkt, wird als »faul« beschimpft. Vielleicht sollten wir statt dessen mal fragen: Für wen arbeiten wir eigentlich?

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

                                                                   junge Welt stärken: 1.000 Abos jetzt!