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Aus: Ausgabe vom 06.06.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Aufrüstung und Kriegsgefahr

Deal mit Leos

Schweizer Kriegskonzern Ruag verkauft Kampfpanzer an Rheinmetall. Bern stockt Rüstungsetat auf
Von Dominic Iten
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Schweizer »Leoparden« auf dem Weg in die Bundesrepublik (30.1.2024)

Kaum jemand hatte echte Hoffnungen in die Gespräche in Istanbul gesetzt, zu denen sich am Montag Delegierte Russlands und der Ukraine trafen. Kurz zuvor hatten beide Seiten ihre Angriffe nochmals intensiviert, vor allem die ukrainischen Drohnenangriffe tief im russischen Hinterland hatten für Aufsehen gesorgt. Je näher ein Deal am Verhandlungstisch rückt, desto härter wird auf dem Schlachtfeld gekämpft – die Strategie dahinter ist simpel: den Druck auf den Gegner erhöhen, um die eigene Verhandlungsposition zu verbessern.

Der Abnutzungskrieg läuft also vorerst weiter – kein guter Moment, um Panzer ungenutzt herumstehen zu lassen, sagte sich der Schweizer Bundesrat. 2016 hatte die Ruag, der Schweizer Technologie- und Rüstungskonzern mit Sitz in Bern, dem italienischen Verteidigungsministerium 96 »Leopard 1«-Panzer abgenommen – seither stehen sie ungenutzt im Norden Italiens rum. 71 davon werden nun an Deutschland weiterverkauft. Die übrigen 25 bleiben vorerst stehen, weil unklar ist, wem diese eigentlich gehören. Es läuft ein Rechtsstreit mit der deutschen Firma Global Logistics Support, welche die 25 Panzer 2019 kaufte, nie abholte und deshalb von der Ruag ihr Geld zurückbekam.

Abnehmer der 71 Panzer ist der Düsseldorfer Kriegskonzern Rheinmetall, der die Fahrzeuge schon vor rund zwei Jahren hätte kaufen sollen, um sie direkt in die Ukraine weiterzuliefern – für die Schweiz ein neutralitätsrechtlich heikles Geschäft. Deshalb hatten die beiden Waffenschmieden damals versucht, »politische Umwege« zu vermeiden. Ruag und Rheinmetall hatten das Geschäft abgeschlossen, ohne zuvor die zuständigen Behörden zu konsultieren. Doch die damalige Verteidigungsministerin Viola Amherd (Die Mitte, vormals CVP) schritt ein und vereitelte das Vorhaben der beiden.

Zwei Jahre später, am Mittwoch, teilte der Bundesrat mit, dass die Ruag die 71 Panzer »bewilligungsfrei« nach Deutschland verkaufen dürfe – solange weder Fahrzeuge noch Teile davon in der Ukraine landen. Unter derselben Bedingung waren bereits im Februar 2023 stillgelegte »Leopard 2«-Panzer von der Schweiz nach Deutschland geliefert worden. Auch damals versteckte sich der Bundesrat hinter der Tatsache, dass die BRD die Panzer nicht in der Ukraine einsetzen werde: Die Ausfuhr unterliege »den Bewilligungskriterien des Kriegsmaterialgesetzes«, von Bedeutung sei »die Tatsache, dass Deutschland zugesichert hat, dass die verkauften Panzer in Deutschland oder bei NATO- oder EU-Partnern verbleiben, um eigene Lücken zu schließen«. Ob die gelieferten Panzer direkt im Kriegsgebiet landen oder bloß die Lücken in den Ländern schließen, welche durch direkte Lieferungen entstanden sind – offenbar weniger ein praktischer Unterschied als ein rechtlicher Winkelzug.

An der Beseitigung letzter Hürden für den Rüstungsexport wird gearbeitet. In der laufenden Sommersession des Parlaments wird der neueste Antrag des Bundesrates zur Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes diskutiert: Der Bundesrat verlangt die Kompetenz, bei »außerordentlichen Umständen«, »zur Wahrung der Interessen der Schweiz« Waffenexporte zu bewilligen, die nach geltendem Gesetz verboten wären. Die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats möchte noch weitergehen und für eine Reihe von Ländern (Katar, VAE) sämtliche Ausfuhrbeschränkungen aufheben. Die Begründung: So würden die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Rüstungsindustrie gewährleistet und geopolitische Allianzen gestärkt.

Um als glaubhafte Partnerin solcher Allianzen zu erscheinen, benötigt die Schweiz eine leistungsfähige Armee. Deshalb hatte der Bundesrat zudem beantragt, 1,5 Milliarden Franken für Rüstungsbeschaffungen, sowie 185 Millionen Franken für die Erneuerung von Truppenunterkünften bereitzustellen. Die sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats geht in der laufenden Session einen Schritt weiter und verlangt, das Budget um eine zusätzliche Milliarde Franken aufzustocken.

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