Gazaflottille weiter auf Kurs
Von David Siegmund-Schultze
Der Schrecken war groß: Dienstag nacht meldete die am Sonntag aufgebrochene Gazaflottille, dass eine Drohne über sie kreise. Kurz darauf gab es jedoch Entwarnung – es handelte sich nur um eine Drohne der griechischen Küstenwache. Die Gefahr eines israelischen Angriffs auf das Segelboot, das die Blockade Gazas mit Hilfsgütern durchbrechen will, bleibt hingegen real. Am 2. Mai wurde bereits ein Schiff der palästinasolidarischen Freedom Flotilla Coalition vor Malta beschossen. 2010 töteten israelische Soldaten außerdem neun Aktivisten, die die seit 2007 bestehende Abriegelung des Küstenstreifens auf dem Seeweg überwinden wollten.
Gegen die Umweltaktivistin Greta Thunberg, prominentestes Mitglied der 12köpfigen Besatzung, kursieren Morddrohungen. Der israelische Geschäftsmann Eran Efrat schrieb etwa am Sonntag auf X: »Wir haben eine einmalige Gelegenheit, Greta ertrinken zu lassen, und ich hoffe, wir haben nicht vor, sie zu verpassen.« Doch Thunberg scheint sich nicht einschüchtern zu lassen: »Egal wie gefährlich diese Mission ist, sie ist nicht annähernd so gefährlich wie das Schweigen der ganzen Welt angesichts des live übertragenen Völkermords«, sagte sie gleichentags.
Wegen der Blockade wird der Hunger der Menschen in Gaza täglich größer. Am Mittwoch setzte die Gaza Humanitarian Foundation (GHF), eine durch Israel kontrollierte »Stiftung«, die Ausgabe von Essensrationen nach eigenen Angaben aufgrund von »Aktualisierungs-, Organisations- und Effizienzsteigerungsarbeiten« aus. Zuvor waren seit Sonntag 61 Palästinenser laut der lokalen Gesundheitsbehörde bei dem Versuch erschossen worden, an die wenigen Lebensmittel in den GHF-Verteilzentren zu gelangen. UN-Sprecher Stéphane Dujarric bezeichnete das neue Ausgabesystem am Mittwoch als »Rezept für eine Katastrophe«. Die UNO betont immer wieder, dass sie bereit wäre, die Versorgung in Gaza sicherzustellen – wenn sie nur gelassen werde.
18 Menschen wurden am Mittwoch laut der Gesundheitsbehörde bei einem Luftangriff auf eine Schule in Khan Junis getötet, die zur Unterkunft für Vertriebene umfunktioniert worden war. Eine Recherche der britischen Tageszeitung The Guardian vom Montag hatte ergeben, dass in den vergangenen Monaten Schulen noch intensiver angegriffen wurden als ohnehin schon.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (5. Juni 2025 um 12:56 Uhr)Eran Efrat – überlassen wir seinen mächtigen Kumpanen zu verharmlosen, welchen Todsünden E. E. offensichtlich frönt. Er ist wohl mit der Thora eher weniger vertraut. Den Regierenden aus Berliner Waschmaschine und Prunktagsgebäude – die, die immer auf die Hilfe ihres christlichen Gottes schwören (!) – leisten ihre Eide und belassen es dabei. Von Menschenliebe und Völkerrecht kein Anflug mehr. Nix wird aus der Luft abgeworfen! Greta wird als Garstige, als seit langem schon Gruselige ghettoisiert, Kritik am aufrechten Bibi Netanjahu einsortiert als antisemitisch (von Gestalten, die nichts davon ahnen, was das Semitische denn ist). Und dieser gequirlte Schokopudding mit O-Saft wird uns sogar in der Tagesschau serviert. Anstatt durchs Fallrohr endlich zu verduften.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (6. Juni 2025 um 12:24 Uhr)Die Thora lässt sich genauso vielfältig interpretieren, wie die Bibel durch Christen oder der Koran durch Muslime. Überall gibt es die Gebote, einerseits Apostaten und Feinde zu töten und andererseits Feinde zu lieben. Und in jeder Religion gibt es die menschenfreundlichen und die menschenfeindlichen Interpreten. Christliche Mordlust etwa richtete sich im Mittelalter oft gegen Hexen und Häretiker, Islamisten morden schon mal gern vermeintlich Abtrünnige wie Jeziden, Schiiten oder Alawiten. Und Juden sind da nichts menschlicher oder unmenschlicher als alle anderen. Es ehrt Dich, die Thora menschlich zu lesen. Greta Thunberg umbringen zu wollen, ist auch aus meiner Sicht absurd. Kriegsrechtlich mag das Durchbrechen einer Blockade sie zu einem legitimen Ziel machen. Theologisch könnte man sie zu einer Amalekiterin erklären, um sie umbringen zu dürfen oder gar umbringen zu müssen. Das wäre zwar eine allen Fortschritt negierende, leider aber unverändert virulente Argumentationsfigur. Dass die GHF nur 4 Verteilstellen für die Versorgung von 2 Millionen Palästinensern eingerichtet hat, kann aus meiner Sicht nicht funktionieren. In Deutschland gibt es ca. 50.000 Verkaufsstellen für Lebensmittel, ein Supermarkt versorgt also knapp 2.000 Bürger. Ist es vorstellbar, dass ein Supermarkt statt dessen 500.000 Bürger versorgen soll? Ich kann mir das nicht vorstellen oder nur mit einem unvorstellbaren Gedränge vor den Ausgabestellen vorstellen. »Rezept für eine Katastrophe«, das scheinen mir die zutreffenden Worte für so ein Ansinnen zu sein.
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