Bald erste Präsidentin in Suriname?
Von Gerrit Hoekman
Auch eine Woche nach der Parlamentswahl in Suriname steht das Endergebnis noch nicht fest, aber im Hintergrund laufen bereits Koalitionsverhandlungen. Am Freitag berichtete die Internetzeitung Suriname Herald, dass der ehemalige Rebellenführer und heutige Vizepräsident Ronnie Brunswijk bereit ist, sich an einem Regierungsbündnis aus sechs Parteien zu beteiligen. Damit hätte die Koalition die nötige Zweidrittelmehrheit knapp beisammen, um zum ersten Mal in der Geschichte des südamerikanischen Landes eine Frau zum Staatsoberhaupt zu wählen: Jennifer Geerlings-Simons von der Nationalen Demokratischen Partei (NDP).
Der noch amtierende Präsident Chan Santokhi ist verärgert, dass seine Progressive Reformpartei (VHP) jetzt nicht mehr gebraucht wird, obwohl sie nach aktuellem Stand der Auszählung nur rund 6.000 Stimmen hinter der NDP liegt. »Niemand sollte ausgeschlossen werden«, sagte er auf einer Pressekonferenz am Freitag abend. Er meinte damit natürlich seine Partei. Die künftige Regierung sollte über eine größtmögliche gesellschaftliche Akzeptanz verfügen, so Santokhi.
Bei insgesamt nur rund 400.000 Stimmberechtigten und einer Wahlbeteiligung von etwa 64,5 Prozent ist der Vorsprung der NDP jedoch größer als es auf den ersten Blick scheint. Weniger als 20.000 Stimmen sind noch auszuzählen. Santokhi mag es vielleicht noch nicht einsehen, aber es spricht vieles dafür, dass seine Amtszeit zu Ende geht. »Angesichts der großen Unzufriedenheit mit seiner Sparpolitik kann man eine solche Niederlage allerdings nicht als große Überraschung bezeichnen«, kommentiert die niederländische Tageszeitung De Volkskrant das Ergebnis. »Die von Santokhi auferlegten Kürzungen sind im Geldbeutel jedes Surinamers zu spüren.« 2023 hatte sich die Wut Bahn gebrochen: Weniger Subventionen für Strom und Benzin führten zu Protesten, Plünderungen und zur Erstürmung des Parlamentsgebäudes.
Die 71 Jahre alte Ärztin Geerlings-Simons will es besser machen. Sie löste im Juli 2024 Desi Bouterse als Vorsitzenden der NDP ab. Bouterse war über Jahrzehnte der starke Mann in Suriname, selbst in Zeiten, in denen er wie zuletzt kein staatspolitisches Amt innehatte. Wegen seiner Beteiligung an den sogenannten Dezembermorden 1982 wurde er 2019 zu 20 Jahren Haft verurteilt, weil er als Oberbefehlshaber der Armee 15 Oppositionelle exekutieren ließ. Als der schwerkranke Bouterse im Januar 2024 die Haft antreten sollte, war er im Dschungel untergetaucht. Dort starb er am 23. Dezember.
»Bouterse ist tot«, sagte Geerlings-Simons vor der Wahl in einem Interview mit De Volkskrant. »Ich möchte einen Schlussstrich ziehen.« Der Name Bouterse wird trotzdem nicht aus der surinamischen Politik verschwinden: Seine Ehefrau und ehemalige First Lady, Ingrid Bouterse-Waldring, hat auf einem hoffnungslosen Listenplatz der NDP stehend ein Direktmandat errungen.
Die zahlreichen Anhänger der NDP nehmen es Santokhi bis heute persönlich übel, dass er in seiner Zeit als Justizminister zwischen 2005 und 2010 und davor als Polizeiinspektor die Verurteilung ihrer Ikone Bouterse vorangetrieben hat. Auf Grund dessen schließt die NDP eine politische Zusammenarbeit mit Santokhi kategorisch aus. Dem Amtsinhaber bleibt nur die Hoffnung, dass Geerlings-Simons im Parlament keine Zweidrittelmehrheit erhält. Dann müsste es eine Volksversammlung geben, in der neben den Abgeordneten auch die Vertreter der Gemeinde- und Bezirksräte Stimmrecht hätten. Dabei reicht eine einfache Mehrheit, um Staatsoberhaupt zu werden. Das Ergebnis gilt als offen, da die Mitglieder anfällig für Bestechung sind.
Wer auch immer am Ende die Regierung und das Staatsoberhaupt stellt, wird über mehr Einnahmen verfügen, als die frühere niederländische Kolonie jemals hatte. Vor der Küste des Landes liegt nämlich ein riesiges Ölfeld, das auf einen Wert zwischen 16 und 25 Milliarden Euro geschätzt wird. 2028 soll die Förderung beginnen. Wieviel von dem Geld letztendlich den 600.000 Einwohnern zugutekommt, hängt alleine davon ab, was in den Taschen korrupter Politiker und Beamter sowie raffgieriger Unternehmer landet.
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