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Aus: Ausgabe vom 17.05.2025, Seite 6 / Ausland
Portugal

Montenegro liegt vorn

Neuwahlen in Portugal: Rechtskonservative Allianz kann wohl weiterregieren. Linke Parteien abgeschlagen
Von Fabian Linder
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Unkenntlich gemacht: Wahlwerbung der extrem rechten Chega-Partei (Lissabon, 14.5.2025)

In Portugal sind die Menschen am Sonntag bereits zum dritten Mal seit 2022 aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. In den jüngsten Umfragen zeichnet sich ein deutlicher Vorsprung der rechtskonservativen Aliança Democrática (AD) vor dem sozialdemokratischen Partido Socialista (PS) ab. Die Wahlkoalition AD, bestehend aus dem konservativen PSD des regierenden Ministerpräsidenten Luís Montenegro, der kleineren Volkspartei CDS-PP und der Monarchistischen Volkspartei PPM, lag zuletzt bis zu acht Prozentpunkte vor den Sozialdemokraten. Konservative als auch Sozialisten riefen die Wähler auf, strategisch zu wählen, um klare Mehrheitsverhältnisse zu schaffen. An dritter Stelle hat sich mit der Chega-Partei eine ultrarechte Kraft etabliert, die bei den jetzigen Wahlen bis zu 20 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen kann. Parteichef und Spitzenkandidat André Ventura musste sich zuletzt aus gesundheitlichen Gründen aus dem Wahlkampf zurückziehen.

Der Einzug neuer Parteien ins Parlament erschwerte in den vergangenen Jahren klare Mehrheitsverhältnisse und macht Minderheitsregierungen wahrscheinlicher. Einerseits weil eine rechnerisch mögliche große Koalition zwischen AD und PS nicht zur Debatte steht, andererseits weil die AD eine mögliche Koalition mit der ultrarechten Chega noch abgelehnt. Dennoch dürfte mit dem Vorsprung der Rechtskonservativen, der Festigung von Chega und der Anbiederung der Liberalen Intiative (IL) hin zu einer Regierungskoalition mit der AD das rechte Lager in Portugal gestärkt aus den Wahlen hervorgehen. Pedro Nuno Santos, Parteichef des PS, hat seit den verlorenen Wahlen vergangenes Jahr auf politische Stabilität gesetzt und stützte Montenegro bei der Verabschiedung des Staatshaushalts. Im Gegenzug konnte er eigene Programmpunkte wie Steuersenkungen im Niedriglohnbereich und eine Anhebung des Mindestlohns durchbringen.

Weiter links vom PS sieht es ebenfalls dürftig aus. So mussten sowohl der Linksblock Bloco de Esquerda und die Demokratische Einheitskoalition (CDU), bestehend aus der Kommunistischen Partei Portugals und den dortigen Grünen, bei den vergangenen beiden Parlamentswahlen einen deutlichen Aderlass verkraften. Ein linkes Bündnis zusammen mit dem PS ist damit schon rechnerisch kaum möglich.

Die vorgezogenen Neuwahlen finden nur knapp ein Jahr nach den letzten irregulären Wahlen statt. Der Grund: Ministerpräsident Montenegro verlor im März eine Vertrauensfrage im Parlament. Vorausgegangen waren Vorwürfe eines Interessenkonflikts, bei denen es um die von ihm gegründete Beratungsfirma Spinumviva geht, die er als Parteichef seiner Ehefrau übertragen hatte. Spinumviva berät Firmen bei der Umsetzung von Gesetzen. Zu den Kunden zählen darüber hinaus Unternehmen, die von Montenegros Regierung Konzessionsrechte erhielten. Es ist anzunehmen, dass der gestürzte Premier die Vertrauensfrage forcierte, um durch Neuwahlen einem von der Opposition geforderten Untersuchungsausschuss zu entgehen.

Und dennoch: Der Skandal ist kaum wahlentscheidend. Vielmehr stehen die Probleme im Gesundheitswesen, hohe Miet- und Immobilienpreise sowie die marode Infrastruktur im Vordergrund. Das zeigt sich nicht nur an gewerkschaftlichen Streiks wie am Freitag in der öffentlichen Verwaltung, sondern auch an sozialen Bewegungen wie dem Movimento Referendo pela Habitação, das sich in Lissabon mittels eines Referendums für das Recht auf Wohnen einsetzt.

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