Senat ohne Einsicht
Von Gudrun Giese
Die Belastungen für Lehrer an Berlins Schulen sind enorm, wie auch die jüngste Arbeitsbelastungsstudie belegt. Deshalb streiken angestellte Lehrkräfte, Erzieherinnen, Sozialpädagogen und Psychologinnen diese Woche von Dienstag bis Donnerstag nach einem Aufruf der GEW Berlin.
Seit mehreren Jahren kämpfen die Gewerkschaft und ihre Mitglieder für einen Tarifvertrag Gesundheitsschutz, der echte Entlastung für die Beschäftigten in Schulen durch kleinere Klassen und bessere Arbeitsbedingungen bringen soll. 52 Streiktage sind bisher zusammengekommen, ohne dass das potentielle Gegenüber für Verhandlungen, der Berliner Senat, auch nur einmal ernsthaft auf die Forderungen reagiert hätte. Das trifft auf die Vorgängerregierungen aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke ebenso zu wie auf den jetzigen CDU-SPD-Senat. »Seit Jahren arbeiten unsere Kolleginnen und Kollegen am Limit – doch der Senat ignoriert Vorschläge, sagt Gespräche ab und bleibt stumm«, kritisierte Gökhan Akgün, einer der Vorsitzenden der GEW Berlin, vor dem Streik. Deshalb bleibe den Beschäftigten gar nichts anderes übrig, als mit Arbeitskämpfen auf ihre prekäre Situation aufmerksam zu machen.
Anfang April ist die neueste Arbeitsbelastungsstudie der Universität Göttingen veröffentlicht worden, die die Unattraktivität des Lehrerberufs in Berlin belegt: Lediglich 20 Prozent der Pädagogen in der Hauptstadt würden ihren Beruf weiterempfehlen, mehr als ein Drittel rät aktiv davon ab. Nur 46 Prozent würden sich mit ihrer heutigen Erfahrung wieder für den Beruf entscheiden. Im Vergleich zu anderen Sektoren sei der Berliner Schuldienst mit den jetzigen Arbeitsbedingungen wenig attraktiv, erklärte Frank Mußmann von der Universität Göttingen. »Dies dürfte ein wichtiger Grund des aktuellen Lehrkräftemangels sein.« Die Daten belegten, dass viele Pädagogen enormen Aufwand für ihre Arbeit betrieben, dafür aber wenig Wertschätzung erhielten. Die Studie belege, unter welch hohem Druck die Beschäftigten stünden, heißt es von der GEW. »Wir liefern seit Monaten harte Daten. Doch der Senat reagiert nicht«, betonte Martina Regulin, ebenfalls GEW-Vorsitzende in Berlin.
Reagiert hat allerdings Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) mit scharfer Kritik am dreitägigen Schulstreik in dieser Woche. Besonders verwerflich sei, dass die GEW den Arbeitskampf in die Zeit zentraler Prüfungen für das Abitur sowie den mittleren Schulabschluss gelegt habe. Das lasse »ein notwendiges Maß an Verantwortungsbewusstsein vermissen«, hieß es bei RBB 24. Die GEW wies diese Vorwürfe zurück. Es gehe nicht um einen einzelnen Tag, zumal die Prüfungstermine gewährleistet würden, sondern vielmehr »um jahrelange strukturelle Missstände«, so Gökhan Akgün. »Der Skandal sind nicht die Streiktage, sondern die Zustände in unseren Schulen.« Außerdem habe sich die Gewerkschaft um einen Dialog mit der Politik bemüht, doch ein Gesprächstermin mit dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sei kurzfristig abgesagt worden, sagte der GEW-Vorsitzende gegenüber dem RBB. Und Finanzsenator Stefan Evers (ebenfalls CDU) lehne genau wie seine Vorgänger Tarifverhandlungen mit der GEW ab, weil Berlin als Mitglied der Tarifgemeinschaft der Länder angeblich nicht ohne die Zustimmung der anderen Bundesländer verhandeln dürfe.
Gespräche wären aber ohne weiteres möglich. Die hält der Senat jedoch offenkundig im Bereich Bildung für verzichtbar, wie sich bei den aktuellen Mittelkürzungen zeigt. »Diese Kürzungen sind Gift für die Berliner Schulen. Sie verschärfen die Überlastung und gefährden die Bildungsqualität«, warnte Regulin. Der Streik in dieser Woche werde wohl kaum der letzte sein. »Ohne Druck bewegt sich dieser Senat nicht«, resümierten beide GEW-Vorsitzenden.
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