Maulkorb für İmamoğlu
Von Nick Brauns
Der Kurznachrichtendienst X hat am Donnerstag auf gerichtliche Anordnung hin den Account des inhaftierten und suspendierten Oberbürgermeisters von Istanbul, Ekrem İmamoğlu, innerhalb der Türkei gesperrt. İmamoğlu habe »Propaganda für seine eigene kriminelle Vereinigung betrieben«, begründete die Istanbuler Staatsanwaltschaft die Sperrung, die der Kurznachrichtendienst im Besitz des sich selbst als »Free Speech«-Advokat wähnenden US-Milliardärs Elon Musk umgehend umsetzte.
Seit Jahresbeginn wurden in der Türkei mehr als 27.000 Social-Media-Konten und 6.765 URLs wegen angeblich krimineller Inhalte gesperrt, wie Innenminister Ali Yerlikaya am Mittwoch bekanntgab. Mit dem von der kemalistischen Oppositionspartei CHP zu ihrem Präsidentschaftskandidaten nominierten İmamoğlu ist erstmals auch ein hochrangiger Politiker betroffen. Aus dem Gefängnis von Silivri heraus hatte der am 23. März wegen Terrorismus- und Korruptionsvorwürfen festgenommene Oppositionspolitiker, der als aussichtsreichster Herausforderer von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan gilt, mit Hilfe seiner Anwälte auf X mit seinen 9,7 Millionen Followern kommuniziert.
Noch am Mittwoch hatte İmamoğlu über X zur Teilnahme an einer Kundgebung für seine Freilassung aufgerufen. Man sei gekommen, um İmamoğlus Diplom zurückzuholen, erklärte der CHP-Vorsitzende Özgür Özel auf dem Beyazıd-Platz vor der Istanbuler Universität. Der Hochschulabschluss, der Voraussetzung für eine Präsidentschaftskandidatur ist, war İmamoğlu aberkannt worden.
In einer vor 160.000 Demonstranten, darunter vielen Studenten, verlesenen Grußbotschaft erinnerte İmamoğlu an die am 6. Mai 1972 hingerichteten Anführer der 1968er Studentenbewegung Deniz Gezmiş, Yusuf Aslan und Hüseyin Inan. »Das Feuer des Kampfes für eine vollständig unabhängige, demokratische Türkei ist nie erloschen«, griff İmamoğlu die von der antiimperialistischen Jugendbewegung geprägte Parole auf.
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