Ruhe vor Siegesparade
Von Reinhard Lauterbach
Die von Russland aus Anlass des Siegestages an diesem Freitag ausgerufene dreitägige Waffenruhe ist am Donnerstag offenbar zunächst eingehalten worden. Militärblogger, die sich in Frontnähe aufhalten, bestätigten auf beiden Seiten, dass kaum noch Kampflärm zu hören sei. Auch die Luftwaffenkommandos beider Seiten meldeten keine Angriffe gegnerischer Drohnen. Die von Russland verkündete Waffenruhe war am Mittwoch abend 23 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit in Kraft getreten. Bis unmittelbar davor hatte es allerdings noch russische Drohnenangriffe gegeben. Ukrainische Soldaten berichteten gegenüber Medien ihres Landes, sie hätten den Befehl bekommen, nur dann das Feuer zu eröffnen, wenn sie selbst beschossen würden.
Die Ukraine beschuldigte Russland allerdings, seine eigene Waffenruhe nicht einzuhalten. Als Beleg nannte das Kiewer Oberkommando russische Bombenangriffe im Gebiet Sumi. Dieses grenzt an die russische Grenzregion Kursk an, wo die Ukraine zuletzt einen neuen Versuch gestartet hatte, sich auf russischem Staatsgebiet festzusetzen.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij forderte erneut eine Waffenruhe für 30 und nicht nur drei Tage. Sein Kanzleichef Andrij Jermak rief die westlichen Unterstützer der Ukraine auf, mehr Anstrengungen dafür zu unternehmen, dass Russland dieser Forderung nachkomme. Russland lehnt das ab, weil es befürchtet, dass die Ukraine eine längere Feuerpause nutzt, um ihre Truppen umzugruppieren und mit neuen Waffen auszurüsten.
Ob sich die Ukraine entschließt, die Moskauer Siegesparade anzugreifen, ist weiter die große Frage. Zuletzt hatte es inoffiziell geheißen, Kiew werde am 9. Mai nicht Moskau angreifen, weil dort der chinesische Präsident Xi Jinping zu Gast sei. Es behalte sich aber Angriffe auf andere russische Regionen vor. In Russland hatten armeenahe Quellen für den Fall einer »größeren Provokation« gegen die Siegesparade einen Angriff mit der neuen und höchst wirksamen »Oreschnik«-Rakete auf Kiew angedroht. Die Armee habe bereits potentielle Ziele ausgewählt.
Für den Donnerstag war im ukrainischen Parlament die Ratifizierung des vieldiskutierten Rohstoffabkommens mit den USA angekündigt. Dessen vollständiger Inhalt ist jedoch nach wie vor nicht bekannt, auch den Abgeordneten nicht. Der Vertrag versetzt US-Firmen in eine privilegierte Position, wenn es um die Ausbeutung ukrainischer Rohstoffe geht. Die Regierung in Kiew verspricht sich davon, dass der Schutz von US-Investitionen wenigstens eine faktische »Sicherheitsgarantie« von seiten der USA bedeute, wenn die Trump-Regierung schon keine ausdrückliche derartige Garantie zu geben bereit ist. Klar ist, dass die USA künftige Rüstungslieferungen als ihren Beitrag zur Finanzierung des Rohstoffinvestitionsfonds gutschreiben können. Faktisch bedeutet dies, dass die Ukraine die Investitionen mehrheitlich allein wird finanzieren müssen.
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