Gegründet 1947 Freitag, 9. Mai 2025, Nr. 107
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 08.05.2025, Seite 7 / Ausland
Syrien

Roter Teppich für Al-Scharaa

Syrischer Machthaber in Frankreich empfangen
Von Ina Sembdner
2025-05-07T153620Z_781948486_RC23DEAPREJB_RTRMADP_3_FRANCE-SYRIA
Er will doch nur helfen: Präsident Macron weist dem Islamisten völlig uneigennützig den Weg (Paris, 7.5.2025)

Für den früheren Al-Qaida-Gefolgsmann ist es eine Art Ritterschlag: Am Mittwoch wurde Ahmed Al-Scharaa erstmalig in Europa empfangen – auf Einladung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und mit UN-Ausnahmegenehmigung. Denn: Er steht nach wie vor auf der Sanktionsliste für Terrorismus und damit unter einem Reiseverbot. Vor seinem »Aufstieg« zum obersten Machthaber Syriens führte Al-Scharaa die Al-Qaida-Abspaltung Haiat Tahrir Al-Sham (HTS) an und kontrollierte mit ihr die Region Idlib.

Die Anfang des Jahres ausgesprochene Einladung war eigentlich an die Bedingung geknüpft, nach dem Sturz der Regierung von Baschar Al-Assad eine inklusive Regierung in Damaskus zu bilden und die Sicherheit von Minderheiten in dem Land zu gewährleisten. Auch wenn Al-Scharaa bei der Besetzung des Kabinetts vier der 23 Ministerposten Minderheiten zugestanden hat (Alawiten, Drusen, Christen und Kurden), sind die zentralen Stellen mit HTS-Mitgliedern besetzt. Die vergangenen Wochen und Monate waren zudem von Gewalt gegen Alawiten und Drusen durch HTS-Anhänger geprägt und forderten Hunderte Todesopfer. »Eine riskante Wette« also, die Macron eingegangen ist, urteilte etwa L’Orient.

Aus dem Élysée-Palast hieß es vorab: Macron hoffe, auf dem Weg zu einem »freien, stabilen und souveränen Syrien, das alle Teile der syrischen Gesellschaft respektiert«, zu helfen. Der Beamte aus dem Élysée-Palast, der namentlich nicht genannt werden wollte, erklärte AFP weiter, Frankreich sei sich der »Vergangenheit« bestimmter syrischer Führer bewusst. Aber – so Außenminister Jean-Noël Barrot im Sender RTL – nicht zu verhandeln, käme einem »Ausrollen des roten Teppichs« für den »Islamischen Staat« gleich. Die Times of Israel verwies darauf, dass die ehemalige Kolonialmacht nach Jahren russischer Präsenz nach einer Möglichkeit suche, ihren Einfluss im Land zu vergrößern: So übernahm kürzlich der Logistikriese CMA CGM den Betrieb des Hafens Latakia für die nächsten 30 Jahre.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.