USA steigen aus Jemen-Krieg aus
Von Wiebke Diehl
Es war eine für US-Präsident Donald Trump typische Verdrehung der Realitäten: Die Ansarollah (»Huthis«) hätten »kapituliert«, behauptete er am Dienstag abend im Weißen Haus. »Die Huthis haben uns mitgeteilt, dass sie nicht mehr kämpfen wollen, und wir werden dies respektieren und die Bombardierungen einstellen.« Später am Abend bestätigten auch die Ansarollah, dass man sich in mehrwöchigen Gesprächen über omanische Vermittler auf eine Waffenruhe geeinigt habe.
Von einer »Kapitulation« der Ansarollah kann indes keine Rede sein. Unmissverständlich haben sie deutlich gemacht, dass zwar ihre Operationen gegen US-amerikanische Kriegsschiffe gestoppt würden, sofern Washington seine Angriffe auf den Jemen einstelle. Der Krieg gegen Israel bleibe davon aber unberührt, solange dessen Vernichtungsfeldzug im Gazastreifen andauere und der dortigen Bevölkerung Nahrungsmittel, Trinkwasser, Medikamente und Treibstoff vorenthalten würden. Damit hält man auf ganzer Linie an der im Oktober 2023, als die Ansarollah-Angriffe auf Israel und auf Schiffe mit Israel-Bezug begannen, formulierten Position fest. US-amerikanische Kriegsschiffe waren erst zum Ziel geworden, nachdem die US-geführte Koalition »Wächter des Wohlstands« im Januar 2024 begonnen hatte, den Jemen zu bombardieren.
Vielmehr ist es Washington, das sich jetzt zur Umkehr gezwungen sieht. Der äußerst kostspielige Einsatz im Roten Meer, den US-Kommandeure als »größte Seeschlacht seit dem Zweiten Weltkrieg« bezeichnen, hat dem US-Militär große Verluste zugefügt, seine beabsichtigte Wirkung aber völlig verfehlt. So verlor etwa die USS »Harry Truman« am 28. April einen F/A-18E-Kampfjet samt Schlepper im Wert von 60 Millionen US-Dollar, weil der Flugzeugträger durch das Fahren einer scharfen Kurve den Raketen der Ansarollah ausweichen musste. Zudem wurden während des Einsatzes US-Kampfjets von »Friendly fire« getroffen – die Ermittlungen dauern noch an. Im Februar beschädigte eine Kollision mit einem Handelsschiff nahe dem ägyptischen Port Said beim Suezkanal die »Truman« schwer. Und eine im Dezember 2023 ins Rote Meer entsandte riesige US-Flottille unter Führung der USS »Eisenhower« zog sich nach neunmonatigem Drohnen- und Raketenbeschuss der Ansarollah in die USA zurück.
Im Wert von täglich Millionen US-Dollar hat die US-Marine hochwertige Raketen im Einsatz gegen die Ansarollah verpulvert und so ihre Arsenale verkleinert, während die Gegenseite mit weit leichter zu ersetzenden Billigdrohnen und -raketen durchaus erfolgreich operiert. Ein einziger »Tomahawk«, von dem nach offiziellen Angaben der US-Marine allein zwischen Januar und Juli des vergangenen Jahres 135 Stück zum Einsatz kamen, kostet rund 1,89 Millionen US-Dollar. Nur für diese Marschflugkörper wurden also in besagtem Zeitraum mehr als 255 Millionen US-Dollar ausgegeben. Nach Angaben von US-Regierungsbeamten kostete der Einsatz in den drei Wochen seit Wiederaufnahme der Angriffe auf den Jemen Mitte März über eine Milliarde US-Dollar. Und wie die New York Times Anfang April berichtete, hat sich – im Gegensatz zu Trumps öffentlichen Behauptungen, den Ansarollah sei schwerer Schaden zugefügt worden – im Pentagon längst Ernüchterung breitgemacht. Dort fürchtet man inzwischen sogar um die Handlungsfähigkeit der USA in einem möglichen Krieg gegen China, weil die Waffenbestände dezimiert würden.
Die israelische Regierung ist von Trumps Ankündigung offenbar völlig überrascht worden. Und dies zu einem Zeitpunkt, an dem mit einem größeren Angriff der Ansarollah gerechnet werden muss, nachdem die israelische Luftwaffe am Dienstag nachmittag den Flughafen in Sanaa sowie mehrere Kraftwerke und Fabriken bombardiert hat. »Sucht von nun an Schutz in euren Bunkern oder verlasst unsere Region sofort«, hatte Mahdi Al-Maschat, Präsident des Obersten politischen Rates der Ansarollah, kurz nach Trumps Verkündung der Waffenruhe die israelische Bevölkerung gewarnt. »Eure gescheiterte Regierung kann euch nicht länger schützen.« Am Mittwoch morgen fing die israelische Armee nach eigenen Angaben eine aus dem Jemen kommende Drohne ab.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Khaled Abdullah/REUTERS29.04.2025
Ansarollah unbeirrt
- AP Photo/dpa22.04.2025
Feuer frei im Roten Meer
- Mahmoud Issa/REUTERS19.04.2025
Das Tor zur Hölle
Mehr aus: Ausland
-
»Arévalo sind die Hände gebunden«
vom 08.05.2025 -
Krieg nach US-Drehbuch
vom 08.05.2025 -
Antiwestliche Allianz
vom 08.05.2025 -
Gaza vor dem Kollaps
vom 08.05.2025 -
Konklave beginnt
vom 08.05.2025 -
Roter Teppich für Al-Scharaa
vom 08.05.2025 -
»Zusammenarbeit mit Marokko muss beendet werden«
vom 08.05.2025