Gerechtigkeit für Inés Heider
Von Niki Uhlmann
Union Busting in der sozialen Arbeit? Klingt abwegig, ist aber Ursache eines politischen Prozesses, der am Dienstag vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg letztinstanzlich beschieden wurde. Inés Heider musste fast zwei Jahre lang gegen unrechtmäßige Repressionen für die Wahrnehmung ihrer Grundrechte kämpfen, bis man ihr recht gab. Unterstützt wurde sie von einem Solidaritätskomitee, Hunderten Kollegen und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).
Im Sommer 2023 hatte Heider, Schulsozialarbeiterin bei einem freien Träger, ihr Kollegium auf Proteste gegen einschneidende Sozialkürzungen hingewiesen. Die GEW Berlin müsse auch ihre Belegschaft zum Streik aufrufen, forderte Heider. Darum bat sie um Kurzvideos der Kollegen, die die Solidarität der Belegschaft mit den Protesten sowie ihre Streikbereitschaft zum Ausdruck bringen sollten.
Kurzerhand flatterte ihr eine fristlose Kündigung ins Haus. Die Geschäftsführung ihres Betriebs, namentlich Technische Jugendfreizeit- und Bildungsgesellschaft (TJFBG), warf ihr vor, zum wilden Streik aufgerufen, die technische Infrastruktur durch ihre Bitte gefährdet, dabei die dienstliche Mail für private Zwecke ausgenutzt, ferner die Geschäftsbeziehungen zum Bezirksamt Neukölln gefährdet zu haben.
Heider wurde, wie schon das Arbeitsgericht Berlin 2024 in erster Instanz befand, mit hanebüchenen Argumenten rausgekantet. Die Kündigung war schlichtweg unbegründet und Heiders Klage darum erfolgreich. Die TJFBG habe »trotz der klaren Worte« Berufung eingelegt, berichtete die GEW Berlin dann im Januar. Berufung »zurückgewiesen«, Revision »nicht zugelassen« und TJFBG verpflichtet, »die Klägerin (…) als Sozialpädagogin weiter zu beschäftigen«, lautet das Urteil des Landesarbeitsgerichts.
Fragt sich, warum TJFBG den Rechtsweg weiter angestrengt hat, warum ihr Anwalt darauf pochte, bei Heider eine »Ausnahme« zu machen vom »Grundsatz«, dass erst abgemahnt und dann gekündigt wird. Sogar der US-Geheimdienst CIA wurde trotz eingestandenem Mangel an Expertise bei den Ausführungen zur »IT-Sicherheit« herangezogen, um Heider loszuwerden. Da konnte sich selbst die Richterin ein Grinsen nicht verkneifen.
Die Antwort wussten die fast 40 Demonstranten, die den Prozess solidarisch begleiteten. Durch die Kürzungen sei eine »Konkurrenz zwischen den freien Trägern« der sozialen Arbeit entbrannt, wusste Franziska Thomas, die selbst Sozialarbeiterin ist. Ziel der Träger sei, mit möglichst wenig Personal möglichst viel zu leisten. Gewerkschafterinnen wie Heider, die für die Rechte der Beschäftigten und Hilfsbedürftigen einträten, wären den Bossen dabei ein Dorn im Auge. Soziale Arbeit wolle aber helfen, gar verbessern, und das hieße nun mal, nicht nur das Elend der Klassengesellschaft aufzufangen, bestimmte eine weitere Kollegin den Beruf als »kämpferische Profession«.
»Der Fall zeigt, wie schnell engagierte Beschäftigte unter Druck geraten können«, ordnete die GEW Berlin den Prozess auf Nachfrage von jW ein. Angesichts der »gegenwärtigen Rechtsentwicklung« sei künftig mehr »politische Disziplinierung« dieser Art zu befürchten, ergänzte die Junge GEW Berlin. TJFBG nahm bis Redaktionsschluss weder zum Urteil noch zum Vorwurf des Union Bustings Stellung. Heider, die ihren Unterstützern dankte, resümierte gegenüber jW: »Ich werde mich weiter gegen Kürzungen und Militarisierung stellen. Man darf sich von Kapital und Staat nicht mundtot machen lassen.«
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