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Aus: Ausgabe vom 07.05.2025, Seite 4 / Inland
Staat und AfD

Weidel bedauert nichts

AfD-Chefin und Kanzler Merz äußern sich erstmals zur AfD-Verbotsdebatte. Dobrindt gibt Entwarnung für Polizisten
Von Max Grigutsch
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Trotz Regierungswechsel im Rampenlicht: AfD-Chefin Alice Weidel (Berlin, 6.5.2025)

In der Debatte um ein AfD-Verbotsverfahren will sich der im ersten Anlauf zur Kanzlerwahl durchgefallene CDU-Chef Friedrich Merz nicht äußern. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte am Freitag mitgeteilt, dass es die AfD als »gesichert rechtsextremistisch« einstuft. Die neue Bundesregierung müsse den – immerhin 1.100seitigen – Bericht des Inlandsgeheimdienstes sorgfältig auswerten, bis dahin wolle er keine »persönlichen Empfehlungen« geben, sagte der im zweiten Wahlgang doch gewählte Bundeskanzler am Montag abend vor Journalisten in Berlin.

Etwas klarer positionierte sich Merz zur Arbeit mit der AfD im parlamentarischen Alltag. »Spätestens seit dem letzten Wochenende ist es auch für mich unvorstellbar, dass Abgeordnete im Deutschen Bundestag AfD-Abgeordnete zu Ausschussvorsitzenden wählen«, so der ehemalige Blackrock-Manager. Der frisch-gewählte Fraktionschef der Union, Jens Spahn, der vor der AfD-Neueinstufung noch nahegelegt hatte, die Partei wie jede andere zu behandeln, zeigte sich am Montag etwas zurückhaltender als sein Parteichef. Laut ihm werde es lediglich »keine Empfehlung« für die Wahl von AfD-Parlamentariern in die jeweiligen Ausschussvorsitze geben und verwies auf eine gemeinsame Abstimmung mit den Sozialdemokraten. SPD-Chef Lars Klingbeil bestätigte seinerseits, er würde »niemandem bei uns, egal in welcher Funktion, empfehlen, für die AfD zu stimmen und das wird von seiten der SPD nicht passieren«.

Vom Katzentisch meldete die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner die Bereitschaft ihrer Partei zur Mitarbeit an. Schließlich gehe es um den »Schutz der Institutionen der Demokratie«, sagte die Politikerin am Montag. Ihr Angebot an Merz und Klingbeil: »Lassen sie uns über das Verbotsverfahren ins Gespräch kommen.«

Der designierte Innenminister Alexander Dobrindt signalisierte indessen Entwarnung für Mitglieder der »gesichert rechtsextremistischen« AfD im Polizeidienst. Auf die Frage von Bild, was die Verfassungsschutz-Einstufung für 330.000 Polizisten in Deutschland bedeute, sagte der CSU-Politiker am Montag abend: »Es gibt keine pauschalen Konsequenzen für Beamte, die sich zur AfD bekennen.« Auch der NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) erklärte gegenüber dem Blatt: »Eine Parteimitgliedschaft alleine reicht nicht aus, um daraus automatisch dienstrechtliche Konsequenzen abzuleiten.« Ganz im Sinne der Erzählung, dass Rechte in der Polizei nur Ausnahmen seien, verwiesen beide auf die Notwendigkeit von Einzelfallprüfungen.

»Ich bedauere persönlich überhaupt nichts«, verkündete derweil AfD-Vorsitzende Alice Weidel. Journalisten in Berlin hatten die Politikerin am Montag abend gefragt, ob sie frühere Aussagen bereue, die Spiegel-Informationen zufolge im Verfassungsschutzbericht aufgeführt sind – etwa solche aus Juli 2023, nach denen »Messerkriminalität« aus »gewaltbereiten Kulturen« in Afrika und im Nahen Osten nach Deutschland gebracht würden. »Wir wissen alle, dass die Messerkriminalität in unserem Land durch die Decke gegangen ist«, legte Weidel am Montag nach. Die Einstufung als »gesichert rechtsextremistisch« betrachte sie hingegen als eine Diffamierung der AfD »durch den parteipolitisch vollständig instrumentalisierten Verfassungsschutz«.

Einen ersten Austritt hat die AfD dennoch zu verbuchen. Aus Fraktion und Partei trat am Montag der baden-württembergische Abgeordnete Sieghard Knodel aus. Als Begründung nannte er die Hochstufung durch den Inlandsnachrichtendienst. Er gehe ungern, aber erachte den Schritt als unvermeidlich, um sein berufliches und privates Umfeld zu schützen, soll er in einer E-Mail, die dem ZDF vorliegt, geschrieben haben. Dem Bundestag wolle er als fraktionsloser Abgeordneter weiter angehören. Ein neues Zuhause könnte der Parlamentarier womöglich an der Seite der früheren AfD-Chefin Frauke Petry finden. Diese kündigte am Montag im Welt-Interview die Neugründung einer »antietatistischen, freiheitlichen« Partei an.

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