Gegründet 1947 Mittwoch, 7. Mai 2025, Nr. 105
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 07.05.2025, Seite 8 / Inland
Antifaschistisches Forum in Moskau

»Alle denken irgendwie an eine Aktionseinheit«

Internationale Delegationen diskutierten in Moskau Aufstieg rechter Kräfte und Gegenmaßnahmen. Ein Gespräch mit Stefan Natke
Interview: Marc Bebenroth
Antifa_Forum_Moskau_2025_2 Kopie.jpg
Stefan Natke (l.) spricht zu Delegierten auf dem II. Internationalen Antifaschistischen Forum in Moskau (22.4.2025)

Im April hat in Moskau das II. Internationale Antifaschistische Forum stattgefunden. Warum haben Sie als Vertreter der DKP daran teilgenommen?

Ich war vom 22. bis 24. April auf Einladung von Gennadi Sjuganow dort, dem Generalsekretär unserer Schwesterpartei. Die Kommunistische Partei der Russischen Föderation, KPRF, hat das Forum ausgerichtet.

Worüber sollten sich die Delegierten verständigen?

Die Genossen haben weltweit Vertreter kommunistischer Parteien eingeladen, denn überall sind rechte Strömungen und faschistische Tendenzen wieder auf dem Vormarsch. Es ging darum, gemeinsam zu analysieren, wo das der Fall ist, was die Ursachen dafür sind und wie man etwas dagegen tun kann. Wir haben in vielen Bereichen eine gleiche Einschätzung gehabt. Und alle denken irgendwie an eine Aktionseinheit. Die Teilnehmer traten in verschiedenen Arbeitsgruppen zusammen. Ich saß in der für Westeuropa. Später trugen wir unsere Arbeit zusammen und verabschiedeten eine gemeinsame Resolution.

Wie gelang es, sich auf einen Faschismusbegriff zu einigen?

Da das Forum am gleichen historischen Ort wie der V. und VII. Kongress der Kommunistischen Internationale stattfand, bin ich in meiner Arbeitsgruppe auf die Faschismusdefinition des bulgarischen Genossen Georgi Dimitroff (1882–1949, jW) sowie die Erkenntnisse zum Faschismus in Bewegung von Palmiro Togliatti, auch bekannt als Ercole Ercoli, eingegangen.

Dimitroff zufolge wird Faschismus an der Macht richtigerweise charakterisiert als »die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals«.

Während unserer Diskussion stellte sich heraus, dass das Auftreten des Faschismus in Bewegung – der sich immer vom Faschismus an der Macht unterscheidet – in Westeuropa noch nicht gemäß der Dimitroffschen Definition zu beobachten ist, wir aber durchaus Tendenzen in diese Richtung haben. Wir haben Parteien mit faschistischen Elementen, die an Regierungen beteiligt sind.

Bei indischen Kommunisten entbrannte ein Streit um die Charakterisierung der Regierung Modi. War das auch Thema?

Vertreter aus Indien waren vor Ort. Ich hatte leider keine Gelegenheit, mit ihnen zu sprechen. Aber ich habe diese Debatte mitbekommen. Insgesamt waren es 164 Delegationen aus 91 Ländern. Eine Erkenntnis von allen: Es ist ein Problem, dass Faschismus von manchen, die sich Antifaschisten nennen, aus dem Bauch heraus definiert wird.

Inwiefern können Faschisten in Russland offen auftreten?

Größere Aufmärsche wie in Budapest zum Beispiel gibt es nicht. Zumal sich die militanten Faschisten in der Ukraine befinden und dort auf der Seite der ukrainischen Nationalisten kämpfen.

Wie steht es um die KPRF?

Politisch und was die Wahrnehmbarkeit angeht: sehr gut. Viele junge Leute engagieren sich, und sie interessieren sich für die Sowjetzeit. Die Regierungspartei und Präsident Putin würden heute nicht mehr so die UdSSR oder Lenin schlechtreden wie noch vor einigen Jahren. Interessant zu beobachten war, dass Putin ein Grußschreiben an den Kongress geschickt hat. Die Genossen unterscheiden stark zwischen Außen- und Innenpolitik. Innenpolitisch hat die KP klare Forderungen gestellt, und die Regierung hat mehrere Zugeständnisse vor allem für Veteranen und Rentner gemacht. Ein Indiz für außenpolitisch gute Zusammenarbeit ist, dass der entsprechende Ausschuss der Duma von einem Kommunisten geleitet wird.

Für den 8. Mai sind in Berlin mehrere Veranstaltungen zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus angekündigt. Wie wird Ihre Partei diesen Tag begehen?

Unsere Gruppen machen am Vormittag dezentrale Kranzniederlegungen. Um 14 Uhr wollen wir in Karlshorst am Ort der Kapitulation der Wehrmacht eine Kundgebung abhalten. Unser Bundesvorsitzender Patrik Köbele und ich werden am Nachmittag am Sowjetischen Ehrenmal in Treptow sprechen. Um 19 Uhr beginnt unsere Veranstaltung in Münzenbergsaal des ND-Hauses. Dort wird auch das »Unsterbliche Regiment« dabei sein.

Stefan Natke ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP)

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Sieger und Befreier an der Siegessäule. Soldaten der Roten Armee...
    07.05.2025

    Doppelte Befreiung

    Dank den Alliierten: Der Sieg über den deutschen Faschismus hatte weltgeschichtliche Bedeutung. In vielen Ländern Europas wurde der Kapitalismus überwunden, der antikoloniale Kampf ging in seine entscheidende Phase
  • Kompakte Story, gutes Timing: Meister (Jewgeni Zyganow) und Marg...
    06.05.2025

    Das Matroschkaprinzip

    Hohe Wellen: Michael Lockshin verfilmt Michail Bulgakows Roman »Der Meister und Margarita«

Regio:

Mehr aus: Inland