Gegründet 1947 Dienstag, 6. Mai 2025, Nr. 104
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 05.05.2025, Seite 7 / Ausland
Karibik

Progressive in Trinidad übernehmen

Neue Regierung von karibischer Inselrepublik gibt neue Richtung vor – regionale Integration auf Agenda
Von Volker Hermsdorf
TRINIDADTOBAGO-ELECTION.JPG
Nach eigenen Worten, nicht zu unterschätzen: Die neue Ministerpräsidentin Kamla Persad-Bissessar (Port of Spain, 28.4.2025)

Nach einem Erdrutschsieg der progressiven Oppositionspartei United National Congress (UNC) bei Parlamentswahlen in der karibischen Inselrepublik Trinidad und Tobago hoffen mehrere Länder der Region auf eine neue Dynamik in der regionalen Integration. Angesichts wachsender Sorgen der rund 1,4 Millionen Einwohner wegen steigender Lebenshaltungskosten, zunehmender soziale Ungleichheit und der 624 Tötungsdelikte im vergangenen Jahr setzte die UNC auf soziale Gerechtigkeit und eine effizientere Wirtschaftspolitik – und konnte sich am 28. April klar gegen das seit zehn Jahren regierende People’s National Movement (PNM) durchsetzen. Bei der Vereidigung ihres Kabinetts kündigte Premierministerin Kamla Persad-Bissessar am Sonnabend einen Politikwechsel an, der »auf Transformation, Integration der Jugend und strategisches Regieren in einer sich verändernden nationalen und globalen Landschaft ausgerichtet ist«. Eine progressive Bewegung dürfe »niemals unterschätzt werden«.

Die 71jährige Juristin war bereits von 2010 bis 2015 die erste Premierministerin des Landes. Nach ihrem Comeback kündigte sie an, die Löhne im öffentlichen Dienst zu erhöhen, Renten zu sichern und das 2018 von der PNM-Regierung aufgelöste staatliche Ölunternehmen Petrotrin wiederzubeleben – damals verloren rund 4.900 Beschäftigte ihre Jobs. Im Gegensatz zur wirtschaftsliberalen PNM setzt die eher sozialdemokratisch orientierte UNC auf ein stärkeres staatliches Engagement. Laut Wahlkommission stellt die Partei künftig 26 der 41 Sitze im Repräsentantenhaus. Die PNM kam nur noch auf 13 Mandate, die Tobago People’s Party gewann beide Sitze auf der Nebeninsel Tobago. Das Parlament besteht neben dem Repräsentantenhaus auch aus einem 31köpfigen Senat, dessen Mitglieder von Präsidentin Christine Kangaloo (PNM) ernannt werden.

Die Regierungen Kubas, Venezuelas, Nicaraguas, Mexikos und weiterer Länder gratulierten Persad-Bissessar zu ihrem Wahlsieg. Kubas Außenminister Bruno Rodríguez sprach sich für eine Vertiefung der bilateralen Beziehungen aus. Die mexikanische Regierung betonte die »vom karibischen Erbe geprägte gemeinsame Geschichte« und das Engagement »für eine wohlhabendere und geeinte Region«. Nicaraguas Präsidentenpaar Daniel Ortega und Rosario Murillo bot ebenfalls an, »die Beziehungen der Freundschaft und der Zusammenarbeit zwischen den beiden Nationen zugunsten von Frieden, Wohlergehen, Entwicklung und Wohlstand der beiden Völker zu stärken«. Venezuelas Außenministerium erinnerte indes an die enge Zusammenarbeit während Persad-Bissessars erster Amtszeit, die »auf gegenseitigem Respekt und einem gemeinsamen Interesse am Wohlergehen unserer Völker« beruhten. Caracas bekräftigte die Bereitschaft, gemeinsame Projekte fortzusetzen – insbesondere im Energiesektor, um die Gasversorgung für Trinidad und Tobago abzusichern. Hintergrund ist der kürzliche Entzug einer US-Lizenz, die der Regierung von Premierminister Keith Rowley 2023 erlaubt hatte, mit Venezuela an Gasprojekten zu arbeiten. Der Lizenzentzug hatte die Energieversorgung und wichtige Staatseinnahmen der Inselrepublik unter Druck gesetzt.

Außenpolitisch dürfte die neue Regierung vor allem auf Süd-Süd-Kooperationen setzen und den Fokus auf Partnerschaften mit den BRICS-Staaten richten. Die UNC hat sich bislang skeptischer als Rowleys Partei gegenüber Einmischungen der USA geäußert und deren gegen Kuba, Venezuela und Nicaragua gerichtete Sanktionen kritisiert. Persad-Bissessar gilt zudem als Befürworterin einer medizinischen Zusammenarbeit mit Havanna und des Einsatzes kubanischer Ärzte in der Region. Unabhängig davon bezeichnete US-Außenminister Marco Rubio sie in einem Glückwunsch auf X als »Freundin und Verbündete der USA, die die Prioritäten von POTUS (President of the United States, jW) in den Bereichen Sicherheit und Einwanderung« teile. »Wir freuen uns darauf, eine enge Partnerschaft für die Zukunft von Trinidad und Tobago und der gesamten Karibik aufzubauen«, so Rubio in seiner eher bedrohlich wirkenden Botschaft.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • »Amerika sind nicht nur die USA«: Protest gegen Washingtons Arro...
    06.02.2025

    Marodeur auf Reisen

    US-Außenminister erklärt Regierungen Nicaraguas, Venezuelas und Kubas zu »Feinden der Menschheit«
  • Venezuelas Präsident Nicolas Maduro (M.) trifft sich mit Vertret...
    20.12.2024

    Gemeinsam stärker

    In Venezuela treffen Regierungen und soziale Bewegungen zusammen, um Kooperation und Souveränität in Lateinamerika und Karibik zu stärken
  • 17.04.2009

    Kuba integrieren

    An der Roten Insel in der Karibik scheiden sich die Geister auf dem Amerika-Gipfel in Trinidad und Tobago