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Aus: Ausgabe vom 24.05.2024, Seite 4 / Inland
Schutzschild für Verfassungsgericht

Buschmann hofft auf Grundgesetzänderung

FDP-Justizminister stellt Einigung für Sommer in Aussicht. Ampel und Union beraten vertraulich
Von Marc Bebenroth
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Schweigt sich über Details noch aus: Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) in Berlin (7.2.2024)

Passend zum Beginn der Feierlichkeiten verdeutlicht der Bundesjustizminister, welche Funktion das vor 75 Jahren verabschiedete Grundgesetz der BRD heutzutage für die Regierenden erfüllt. Marco Buschmann (FDP) hat am Donnerstag angekündigt, dass bis zum Sommer wesentliche Normen für den Aufbau und die Arbeit des Bundesverfassungsgerichts in die Verfassung geschrieben werden sollen. Damit soll das höchste deutsche Gericht vor dem Zugriff »autoritärer Kräfte« geschützt werden.

Das Bundesverfassungsgericht sei im Grundgesetz »nur rudimentär geregelt«, erklärte Christoph Safferling, Professor für Internationales Recht und Völkerrecht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, laut Frankfurter Rundschau (FR) vom Donnerstag. Die Wahl der 16 Richterinnen und Richter durch Bundestag und Bundesrat für eine begrenzte Amtszeit ist im Bundesverfassungsgerichtsgesetz geregelt. »Dieses einfache Gesetz könnte mit einfacher Mehrheit im Bundestag geändert werden«, zitierte die FR den Juristen.

In einem ebenfalls am Donnerstag veröffentlichten Interview mit dem RBB-»Inforadio« betonte der Justizminister, dass es darum gehe, das Verfassungsgericht vor einer möglichen »autoritären« Mehrheit zu schützen. So habe es »in den letzten Jahren« in vielen Staaten, die »auf einem guten demokratischen Weg« gewesen seien, »Rückschläge« gegeben. »Autoritäre Mehrheiten« hätten dort »immer zuerst eins probiert«: die Unabhängigkeit »insbesondere der Verfassungsgerichte« einzuschränken.

Tatsächlich haben es allein in den USA rechtskonservative bis erzreaktionäre Einflussgruppen in jahrzehntelanger Lobbyarbeit geschafft, den U.S. Supreme Court als oberstes Gericht der Vereinigten Staaten unter ihre Kontrolle zu bekommen und beispielsweise Grundrechte für Frauen zu schleifen. Ob Buschmann aber an die Vereinigten Staaten dachte, ist fraglich. Er nannte im RBB die von rechtsnationalen Regierungen geführten EU-Mitgliedstaaten Polen und Ungarn, wo die Unabhängigkeit von Verfassungsgerichten beschnitten worden sei. Ebenso nehme die Bundesregierung wahr, dass es im von einer teils faschistischen Koalition regierten Staat Israel die Debatte um eine »sogenannte Justizreform« gebe, die »das Land wahnsinnig polarisiert«.

Wie für jede Änderung des Grundgesetzes benötigt auch die derzeit geplante die Zustimmung der Unionsfraktion im Bundestag, um die erforderliche Zweidrittelmehrheit zusammenzubekommen. Die Regierungsfraktionen von SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen führen Buschmann zufolge derzeit »sehr gute Gespräche« mit CDU und CSU, wie er dem Sender sagte. Gegenüber der Rheinischen Post vom Donnerstag bezeichnete er die Absprachen als »seriös und vertrauensvoll«.

»Wir haben uns allerdings drauf geeinigt, dass wir jetzt keine Wasserstandsmeldung abgeben«, sagte Buschmann dem RBB. Statt dessen solle in einem »geschützten Raum des Vertrauens« diskutiert werden. Danach werde ein Zeitpunkt kommen, zu dem man ein gemeinsames Ergebnis präsentieren könne. »Das soll dann auch transparent, gerne auch strittig, öffentlich diskutiert werden.« Buschmanns Hoffnung sei es, »dass wir im Sommer eine Liste an Vorschlägen dazu vorlegen werden, was nach unserer gemeinsamen Auffassung konkret zu tun ist«, wie er dem Blatt verriet. »Dann könnten wir in ein reguläres Verfahren zur Änderung des Grundgesetzes eintreten.« Dieses könne Ende 2024, Anfang 2025 zum Abschluss kommen, spekulierte der Minister im RBB-Interview.

Wer sich dagegen wünscht, dass beispielsweise auch die Rechte von Kindern oder die Verpflichtung des Staats zum Klimaschutz Verfassungsrang erhalten, wurde vom FDP-Politiker enttäuscht. Im ARD-»Morgenmagazin« sagte Buschmann, dass es bei »anderen Themen« mit der Union »nicht so richtig voran« gehe. So sei das »manchmal« in der Demokratie, vertröstete der Minister. »Nicht alles, was man selber für eine gute Idee hält, hat immer automatisch sofort die notwendige Mehrheit.«

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