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Aus: Ausgabe vom 24.05.2024, Seite 1 / Titel
Solidarität mit Palästina

Dialog statt Knüppel

Propalästinensische Besetzung der Berliner Humboldt-Universtität geduldet. Polizei baut Drohkulisse
Von Nick Brauns
»Viva, viva, Palästina!« – Solidaritätskundgebung vor dem Unigebäude (Berlin, 22.5.2024)

Bereits den zweiten Tag hielten Studentinnen und Studenten am Donnerstag das Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität (HU) zu Berlin besetzt, um gegen »Völkermord« in Gaza zu protestieren. Die Einrichtung wurde in »Jabalia-Institut« umgetauft – benannt nach einer Stadt im Gazastreifen.

Die Universität solle sich für einen Waffenstillstand in Gaza und einen sofortigen Waffenlieferungsstopp an Israel stark machen, fordern die aus verschiedenen Hochschulen stammenden Besetzer der Students Coalition Berlin. Zudem müsse es einen akademischen Boykott Israels geben. Denn die dortigen Universitäten seien an der Entwicklung von Technologien beteiligt, mit denen Tausende Menschen in Gaza getötet werden, wie einer der Besetzer gegenüber jW erläuterte. »Die Zusammenarbeit mit deutschen Hochschulen dient dazu, diese Komplizenschaft beim Völkermord weißzuwaschen.«

Nach der Besetzung am Mittwoch nachmittag hatte die Polizei zwar Hunderte Demonstranten vor dem Gebäude zu einem Platz außer Sichtweite der Besetzer geprügelt und dabei gut zwei Dutzend von ihnen festgenommen. Doch das HU-Präsidium verkündete am späten Mittwoch abend nach »intensiven« Verhandlungen, die Besetzung werde bis Donnerstag 18 Uhr »geduldet«, »um mit den protestierenden Studierenden ins Gespräch zu kommen«. Eine Diskussionsveranstaltung unter Beteiligung des Präsidiums sowie von Professoren im besetzten Institut diente am Donnerstag nachmittag diesem Ziel. Rückendeckung bekam HU-Präsidentin Julia von Blumental von Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra. Aufgabe einer Hochschulleitung sei es, Raum für diesen Dialog zu geben, so die Sozialdemokratin am Donnerstag im Abgeordnetenhaus.

Das sind andere Töne als noch vor zwei Wochen, als die Leitung der Freien Universität ein Protestcamp polizeilich räumen ließ. Dass der Internationale Strafgerichtshof gegen Israels Führung wegen Kriegsverbrechen in Gaza ermittelt, habe sicherlich dazu beigetragen, sagte einer der Besetzer gegenüber jW, »Doch es ist vor allem ein Erfolg unserer Bewegung, denn Widerstand zahlt sich aus«, ergänzte ein anderer Aktivist und verwies dabei auf Professoren, die sich angesichts der Polizeigewalt auf die Seite ihrer Studenten gestellt hatten.

Die HU-Präsidentin erwartet, dass die rund 150 Besetzer das Gebäude Donnerstag abend friedlich verlassen. »Wir bleiben, bis unsere Forderungen erfüllt sind«, kündigte dagegen einer der Besetzer gegenüber jW an und verweist auf leicht erfüllbare »konkrete und materielle Forderungen«, wie die Vergabe von Stipendien an palästinensische Studenten analog zu denjenigen für Ukrainer. Zudem müsse sich die Universität von der IHRA-Definition für Antisemitismus distanzieren, die zur Diffamierung von Kritik an Israel dient.

Im obersten Stockwerk des Instituts haben sich knapp 50 Studenten verbarrikadiert und zeigen sich entschlossen, ihren Widerstand fortzusetzen. Verhüllt in schwarz-weißen Kufijas winken sie aus den Fenstern. Zu jW-Redaktionsschluss hatte die Polizei die Straßen rund um das Institut abgeriegelt, eine gewaltsame Räumung erscheint Beobachtern vor Ort nicht unwahrscheinlich. Doch wenige hundert Meter von der Universität entfernt findet bis Sonntag ein »Demokratiefest« zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes statt. Bilder von Polizisten, die Studenten gewaltsam aus der Universität tragen, dürften da eher stören.

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  • Leserbrief von Martin Mair aus Söchau (25. Mai 2024 um 13:14 Uhr)
    Wie wäre es einmal mit Demos für den Frieden statt nur für eine Konfliktpartei? Echte Solidarität mit »Palästinenser*innen« kann sich wohl nicht im Schwingen von Nationalfahnen zeigen, weil der Nationalismus auf beiden (!) Seiten dsas (!) Problem ist. Ich empfinde diese Demos nur noch befremdlich. Ich würde gerne auch Friedensfahnen sehen oder andere Zeichen der Suche nach einer gemeinsamen (!) Lösung mit der alle Menschen guten Willens leben können. Das Konzept der »gewaltfreien Kommunikation« nach Marshall Rosenberg wäre auch einmal ein guter Ansatz oder die trilateralen Dialoggruppen von Dan Bar On. Kreative Konfliktlösungen mögen bitte wieder gesucht werden, nicht herunterleiern von eingefahrenen Konfliktrituale!

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