4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 09.02.2024, Seite 4 / Inland
Nahostkonflikt

Exmatrikulation als Instrument

Nach Angriff auf israelischen Studenten in Berlin: Debatte um Umgang mit mutmaßlichem Angreifer
Von Jamal Iqrith
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Palästinasolidarische Kundgebung vor der Mensa II der FU Berlin am Donnerstag

Nach dem Vorfall um den 30jährigen jüdisch-israelischen Studenten Lahav S., der am Freitag abend nach einem Barbesuch in Berlin von einem 23jährigen Kommilitonen der Freien Universität Berlin (FU) tätlich angegriffen wurde, kam es am Donnerstag zu einer propalästinensischen Kundgebung an der Universität. Vor der Mensa II versammelten sich laut dpa rund 85 Personen unter dem Titel »Solidarität mit Palästina«. Einige Teilnehmer kritisierten, Palästina-Solidarität und Kritik an der israelischen Regierung würden mit dem Vorwurf des Antisemitismus unterdrückt.

Die Universität hatte sich vorab von der Veranstaltung distanziert und nach eigenen Angaben aufgrund von Inhalten von Plakaten Strafanzeige erstattet. Die Kundgebung sei weder von der FU genehmigt, noch werde sie unterstützt. Zu einem Gegenprotest fanden sich rund 25 Personen ein, einige von ihnen mit Israel-Flaggen. Die Gruppe »Fridays for Israel« rief zudem für Freitag zu einer Versammlung vor der Mensa auf.

Unterdessen wird weiter versucht, den Vorfall trotz Unklarheiten über Kontext und Hergang unbedingt als »antisemitische Attacke« darzustellen: Samuel Salzborn, »Ansprechpartner zu Antisemitismus« der Berliner Senatsverwaltung, bezeichnete die Gewalttat gegen Lahav S. am Donnerstag als »Ausdruck einer insgesamt antisemitisch verhetzten Stimmung«.

Laut Polizei hatte es vor dem Übergriff eine verbale Auseinandersetzung gegeben. Bei einer Hörsaalbesetzung an der FU durch palästinasolidarische Studenten im Dezember, bei der auch der mutmaßliche Täter anwesend gewesen sein soll, war Lahav S. mehrfach als Provokateur aufgetreten. Die Berliner Staatsanwaltschaft, die den Fall laut eigenen Angaben seit Montag bearbeitet, ermittele inzwischen wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung, wie ein Sprecher am Donnerstag gegenüber junge Welt erklärte. Die Tat werde »derzeit sowohl als antisemitisch als auch mit dem Nahostkonflikt in Zusammenhang stehend eingestuft«. In bezug auf einen möglichen Streit erklärte die Behörde, der Attacke soll »eine kurze verbale Interaktion vorausgegangen sein«.

Bei dem Streit um den Umgang mit dem mutmaßlichen Täter ist vor allem die Leitungsebene der Universität in den Fokus geraten. So hatte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, am Montag dem Tagesspiegel gesagt, die Leitung sei »viel zu tolerant und lasse zuviel unkommentiert«. Im Zentrum steht die Forderung nach der Exmatrikulation des mutmaßlichen Angreifers, die zuerst von Seiten des Zentralrats der Juden in Deutschland erhoben worden war.

Da eine Exmatrikulation aus Ordnungsgründen seit der Änderung des Berliner Hochschulgesetzes 2021 nicht mehr möglich ist, hatte die Universität zunächst ein Hausverbot erwogen. FU-Präsident Günter Ziegler sagte aber am Donnerstag gegenüber dem Tagesspiegel, man wolle bald »mit der Politik darüber beraten, ob Exmatrikulationen in besonders extremen Fällen in Berlin ermöglicht werden sollten«. Auch Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hielt eine Exmatrikulation für den richtigen Schritt. Sie forderte am Mittwoch bei Welt TV eine Anpassung des Berliner Hochschulgesetzes, um eine solche zu ermöglichen. Der wissenschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Adrian Grasse, befürwortete den Vorschlag am Mittwoch und erklärte, es brauche das »Instrument der Exmatrikulation, um jüdische Studentinnen und Studenten zu schützen«.

Kritisiert hatte die Forderungen hingegen Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD), die am Dienstag erklärt hatte, im Fall einer Exmatrikulation sei es »ein hohes Grundrecht, das hier betroffen wäre«. Eine Exmatrikulation aus politischen Gründen lehne sie daneben grundsätzlich ab. Sie bekräftige die Hochschulleitung darin, ein Hausverbot durchzusetzen.

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