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Aus: Ausgabe vom 22.03.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Spanischer Staat

Unbefristet im Ausstand

In Cádiz streiken seit anderthalb Monaten Arbeiter des Stahlkonzerns Acerinox für einen neuen Tarifvertrag
Von Carmela Negrete
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Klassischer Klassenkampf: Bosse wollen Kollegen am Hochofen mehr ackern lassen (Madrid, 27.12.2021)

Sie haben Kondition: Seit sieben Wochen streiken Stahlarbeiter der Firma Acerinox in der Stadt Los Barrios in der Region Cádiz. Unbefristet für einen neuen Tarifvertrag. Am Mittwoch wurden nun Delegierte der Streikenden im spanischen Parlament empfangen.

Die rund 1.800 Acerinox-Arbeiter produzieren rostfreien Stahl und Edelstahl und fordern bis 2027 eine Lohnerhöhung von drei Prozent sowie eine automatische Lohnanpassung an die Inflation. Auch um eine Produktionsprämie wird gerungen. Zudem protestieren sie gegen einen Vorschlag des Unternehmens, die Produktion zu steigern, der mit einer »Flexibilisierung« der Arbeitszeiten einhergehen soll, wie es im Kapitalistenjargon heißt. Die Mehrwertproduzenten sollen demnach gelegentlich länger malochen.

Nach Madrid reisten rund 700 Kollegen an, und bereits am Dienstag hatten sie vor der Zentrale der Firma im Viertel Fuencarral demonstriert. Laut der Tageszeitung Area soll es am Mittwoch zu einem Treffen mit der Vizepräsidentin und Arbeitsministerin, der Kommunistin Yolanda Díaz gekommen sein. Díaz hat sich bisher offenbar aus dem Konflikt herausgehalten, weil sie die Verhandlungen zwischen Firma und Belegschaftsvertretern respektieren wolle.

Bis Ende März sollen Medienberichten zufolge zwei weitere Tarifrunden stattfinden. Für zahlreiche Familien der Streikenden bedeutet der Arbeitsausstand erhebliche Einbußen. In Spanien kommen Gewerkschaften im Regelfall nicht für den Lohnausfall auf. Gewerkschaftsmitglieder hingegen können Streiktage als Arbeitstage geltend machen.

Und auch das gab es: Repression gegen Arbeitskämpfer. So wurde ein Kollege kürzlich mittels Schnellverfahren zu einer Strafe von einem Jahr Haft verurteilt, nur weil er eine Straße ohne Genehmigung blockiert hatte. Am 23. Februar hatten aufgebrachte Stahlwerker die Autobahn A-7 für vier Stunden lang dichtgemacht. Die Bereitschaftspolizei und paramilitärische Polizei Guardia Civil setzten Tränengas und Schlagstöcke ein. Die Stahlgewerkschaft ATA distanzierte sich von der Aktion. Obwohl vier ihrer Mitglieder gleichfalls wegen weiterer Straßenblockaden vor Gericht stehen. Zum Vergleich: Während der Proteste gegen die sozialdemokratische Partei PSOE in Madrid im vergangenen November hatte die damalige Regionspräsidentin von der rechtskonservativen PP, Esperanza Aguirre, ebenfalls spontan die Straße blockiert und Demonstranten zum Mitmachen aufgefordert. Rechtliche Konsequenzen? Fehlanzeige.

Zurück zum Arbeitskampf: Während des Protests hat Acerinox seinen Jahresabschluss für 2023 veröffentlicht. Demnach hatte das Unternehmen mit 6,6 Milliarden Euro das »viertbeste Ergebnis« in der Firmengeschichte erzielt, teilten die Bosse mit. Diese »guten Zahlen« seien jedoch auf Acerinox-Geschäfte außerhalb Spaniens zurückzuführen, vorrangig auf die Mehrwertproduktion in den USA und Südafrika, wo Acerinox Fabriken hat.

Die »roten Zahlen« im Werk bei Cádiz seien hingegen das Ergebnis der Coronakrise samt globaler Lockdowns mit unterbrochenen Lieferketten. Ferner gestiegener Energiepreise im Zuge des Ukraine-Kriegs und der Feindseligkeiten mit Russland im Energiesektor. Krisen, die Beschäftigte monatelang in Kurzarbeit getrieben hatten. In einer Region, die zu den ärmsten Spaniens gehört mit einer Erwerbslosigkeit von rund 23 Prozent. Auch deshalb haben die Stahlarbeiter viel wirtschaftlichen Nachholbedarf, brauchen einen neuen, besseren Tarifvertrag. Die Kondition dafür haben sie.

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