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Aus: Ausgabe vom 22.03.2024, Seite 5 / Kapital & Arbeit
»Nationale Hafenstrategie«

Kaikonzept ohne Finanzplan

Die »Nationale Hafenstrategie« enthält keine Investitionszusagen. Kritik von Branchenverbänden, Küstenländern und Handelskammern
Von Burkhard Ilschner
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Wie das »Fit für die Zukunft machen« der Häfen bezahlt werden soll, bleibt auch nach dem Kabinettsbeschluss unklar

Was die Bundesregierung nach knapp zwei Jahre währenden Beratungen als »Nationale Hafenstrategie« (NHS) veröffentlicht hat, ist zwar eine bunte Sammlung von Ideen, klammert aber die entscheidende Frage wieder aus: Wer soll das bezahlen? Finanzielle Unterstützung überhaupt nicht zu erwähnen, sei falsch, brachte Frank Dreeke, Vorstandschef des stadteigenen Bremer Hafenlogistikers BLG, es im Regionalmagazin »Buten un binnen« am Mittwoch auf den Punkt.

Rückblick: Ursprünglich sollte die NHS bereits 2023 zur 13. Nationalen Maritimen Konferenz (NMK) in Bremen vorliegen. Schon damals erntete Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Gelächter, als er einräumte, der Bund habe die Häfen jahrelang vernachlässigt – dann aber auf finanzielle Zusagen verzichtete. Jetzt ist die NHS fertig und die Geldfrage weiter offen.

Bislang zahlt der Bund jährlich 38 Millionen Euro »Hafenlastenausgleich« für alle Häfen von Emden bis Greifswald; schon zur NMK hatten die Küstenländer moniert, es bräuchte mindestens das Zehnfache, nur um Versäumtes aufzuholen, von Zukunftsinvestitionen ganz zu schweigen. Nun liefert die NHS etliche Optionen für ebendiese Zukunft – gibt aber nicht einmal Anregungen, wer wieviel davon bezahlen soll.

Die Häfen »fit für die Zukunft zu machen, ist eine gemeinsame Aufgabe aller beteiligten Akteure«, heißt es im NHS-Vorwort: Klingt lapidar, ist aber entscheidend. Einerseits sind Bau und Unterhalt der Häfen Ländersache, also der fünf Küstenländer. Andererseits ziehen alle 16 Bundesländer und auch der Bund Nutzen aus diesen Häfen. Viele der nun vorgelegten Optionen sind in der Sache nicht neu, allenfalls in ihrer Ausgestaltung. Eine »Nationale Hafenstrategie« hätte mit konkreten Vorschlägen inklusive Finanzierungszusagen eine Debatte über diese ungleiche Verteilung in Gang setzen können. Statt dessen scheint der Bund sich jetzt zurückzulehnen, Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) schiebt die Verantwortung – »erst der Plan, dann das Geld« – einfach an die Länder zurück, was letztlich auf ein Aufschieben hinauslaufen dürfte.

Fünf zentrale Aufgabenfelder benennt die NHS: Das reicht von der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit über Energiewende und digitale Transformation bis zur Kommunikationsinfrastruktur; das Feld »Ausbildung und Beschäftigung« komplettiert übrigens diese Palette, ist aber der kürzeste Abschnitt. 139 Vorschläge werden in der NHS insgesamt aufgelistet – mal nur unverbindliche Floskeln wie Prüfaufträge oder die Erstellung von Zustandsberichten, mal »Daueraufgaben« wie etwa Fortbildungen, mal Selbstverständlichkeiten wie Einbindung Dritter in Planungen; Konkretes fehlt meist.

Da werden Häfen als »teilweise (…) kritische Infrastrukturen« eingestuft, bei Investitionen aus Drittstaaten seien neben nationalen auch die Interessen des jeweiligen Staates »zu prüfen« – von Aufschub oder Einspruch ist nicht die Rede. Anderes Beispiel: Die Umweltverbände haben aktuell erneut eine Kooperation der Häfen zur Entlastung der Flüsse und Küsten und zugleich zur ökonomisch sinnvolleren Nutzung angemahnt. Die NHS greift dies zwar auf – aber nur mit der Vorgabe, bis 2028 eine Machbarkeitsstudie erstellen zu wollen. Und dann?

Küstenländer, Handelskammern, Branchenverbände – sie alle haben die Veröffentlichung der NHS begrüßt, meist sogar nachdrücklich. Zwar haben alle die fehlenden Finanzzusagen in unterschiedlichen Tönen bemängelt, sich aber jeder weitergehenden Kritik enthalten. Die nächsten Monate werden zeigen, ob das taktisch gemeint ist oder resignative Verzweiflung bedeutet.

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