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Aus: Ausgabe vom 19.03.2024, Seite 4 / Inland
TAURUS-Kampagne

Fahndung nach Verrätern

Strack-Zimmermann will nach Berichten über Auftritt von Bundeswehr-General vor Ausschuss Strafverfahren wegen Geheimnisverrat
Von Kristian Stemmler
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Will wissen, wer geplaudert hat: Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Bundestag (Berlin, 13.3.2024)

Das TAURUS-Waffensystem wird vorläufig weiterhin ausschließlich in der innenpolitischen Auseinandersetzung in Stellung gebracht. Die am Wochenende losgebrochene Suche nach einer undichten Stelle im Verteidigungsausschuss ist dabei nur die neueste Volte. Aus dem nichtöffentlichen Teil der Sitzung vom 11. März hatte am Freitag das Portal t-online.de berichtet und dabei Aussagen des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Carsten Breuer, wiedergegeben, die die Befürworter einer Lieferung dieses Waffensystems an Kiew in eine ungünstige Position bringen.

Insgesamt haben an der Sondersitzung des Verteidigungsausschusses im Bundestag vor einer Woche 105 Personen teilgenommen, »darunter zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung und der Landesvertretungen«. Das geht aus einem Schreiben der Ausschussvorsitzenden Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hervor, aus dem die Rheinische Post vom Montag zitierte. Im geheimen Teil der fraglichen Sitzung hatte Breuer über TAURUS referiert und erklärt, dass der Einsatz der Marschflugkörper komplizierter sei als öffentlich bekannt. Die Zielprogrammierung sei mit extrem großen Datenmengen verbunden, die von speziellen technischen Systemen aufbereitet werden müssten. Diese technischen Anlagen gebe es nur in begrenztem Maße. Würden sie – um eine direkte Beteiligung deutscher Soldaten am Einsatz der Waffe auszuschließen – mit den Marschflugkörpern in die Ukraine geliefert, stünden sie der Bundeswehr nicht mehr zur Verfügung. Dies könne die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte erheblich beeinträchtigen.

Ziemlich sicher wurden diese Informationen mit der Absicht weitergegeben, die Position von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu stärken. Dieser hatte eine Lieferung der TAURUS-Waffensysteme zuletzt dezidiert abgelehnt. In ihrem auf vergangenen Freitag datierten Schreiben an Bas bat Strack-Zimmermann laut Rheinischer Post nun um eine Ermächtigung zur Strafverfolgung wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses. Scholz hatte sich am Sonnabend für eine Aufklärung des Vorgangs ausgesprochen.

Unterstützung für seine Haltung zur TAURUS-Lieferung erhielt Scholz unterdessen von seinem Amtsvorgänger Gerhard Schröder. Scholz mache das, »was ich von einem deutschen Bundeskanzler zur Zeit erwarten würde«, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Den Vorwurf, der Kanzler spiele mit seinem Nein zur Lieferung Wladimir Putin in die Hände, bezeichnete Schröder als »schlicht lächerlich«. Er forderte eine deutsch-französische Initiative für Verhandlungen über eine Konfliktlösung in der Ukraine.

Prompt erregte sich CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn am Montag, dass, wer Freunde wie »den Exkanzler und Putin-Freund Gerhard Schröder« habe, »keine politischen Feinde mehr« brauche. Dass Schröder »regelmäßig in Deutschland die SPD, den Kanzler hier unterstützt«, solle Scholz zum Nachdenken bringen. CSU-Chef Markus Söder schlug in dieselbe Kerbe: »Von Gerhard Schröder gelobt und vereinnahmt zu werden« zeige, dass Scholz auf dem falschen Weg sei.

Ratschläge zur internen SPD-Debatte erteilte auch der Kovorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Omid Nouripour. In der ARD-Sendung »Bericht aus Berlin« vom Sonntag abend behauptete er, die Überlegung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich am Donnerstag, wonach zunächst über ein »Einfrieren« des Ukraine-Kriegs und dann über dessen Beendigung nachgedacht werden müsse, widerspreche einem Parteitagsbeschluss der SPD vom Dezember. Zuvor war Mützenich vom anderen Koalitionspartner FDP attackiert worden.

Vor einer Lieferung von TAURUS-Waffen an die Ukraine warnte erneut Sevim Dagdelen, außenpolitische Sprecherin der BSW-Gruppe im Bundestag und Obfrau im Auswärtigen Ausschuss. Diese änderten »nichts an der aussichtslosen militärischen Lage der Ukraine, wie die Luftwaffenführung bei ihrer publik gewordenen Besprechung feststellte«, erklärte Dagdelen am Montag gegenüber junge Welt. Diese weitreichenden Waffen könnten russische Städte wie Moskau und St. Petersburg treffen, »Kiew aber keinen Sieg verschaffen«. Mit einer TAURUS-Lieferung wachse vielmehr die Gefahr, »dass Deutschland endgültig Kriegspartei ist und das Leben von Millionen Deutschen gefährdet wird«.

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