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Aus: Ausgabe vom 15.08.2018, Seite 11 / Feuilleton
Droste

Selbsterklärend

Von Wiglaf Droste

Eines dieser Worte, die wie aus dem Nichts auftauchen, von nahezu allen in Gebrauch genommen werden, bis sie irgendwann wieder im Nichts verschwinden und durch anderen Schwindel ersetzt werden, heißt »selbsterklärend«. Was ist darunter zu verstehen? Dass jemand sich erklärt, etwas preisgibt? Nein, selbsterklärend sind im Gegenteil Geräte, bevorzugt digitale. Wenn beispielsweise ein junger Computerverkäufer zu lustlos oder ganz simpel zu ahnungsarm ist, um seinem Kunden zu einem Streifschuss des Spartenwissens zu verhelfen, speist er ihn, wie im Seminar gelernt, höflich und freundlich lächelnd mit der Floskel ab, das Gerät sei »selbsterklärend«. Überhaupt nicht selbsterklärend, sondern selbstverständlich ist die Verzweiflung des Gerätekäufers, dem nichts und niemand etwas erklärt, schon gar nicht selbst.

So bleibt dem Mann, der vor Geräteteilen steht wie Schnulli vorm Bulli, nur noch die Flucht in den Reim:

Die Wut ist riesig, schon XXL-gärend:

Verkäufer verhauen ist selbsterklärend.

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