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Aus: Ausgabe vom 05.02.2015, Seite 3 / Schwerpunkt

Klaus Zieschank - »Tod durch Schweigen«

Klaus Zieschank wurde am 10. Dezember 1951 in Buenos Aires geboren, er hatte die deutsche und die argentinische Staatsbürgerschaft. 1976 studierte er an der Technischen Universität München und war gegen den chilenischen Diktator Augusto Pinochet aktiv. Im März/April 1976 wollte er ein vierwöchiges Industriepraktikum bei der Firma Buxton in der Provinz Buenos Aires absolvieren und flog dazu über Chile nach Argentinien. Am 26. März 1976, zwei Tage nach dem Militärputsch in Argentinien, wurde er vor der Buxton-Fabrik von bewaffneten Zivilisten entführt. Laut Zeugenaussagen befand er sich von April bis Mai 1976 in dem Folterlager 128 des Geheimdienstes Secretaria de Inteligencia de Estado (SIDE). Ein Insasse des Lagers kam durch Intervention von Militärangehörigen in seiner Familie frei, reiste auf Einladung von Amnesty International nach Bonn und berichtete dort in einer Pressekonferenz über die Gefangenschaft Zieschanks.

Am 27. Mai 1976 wurde dessen Leiche am Flussbett des Río de la Plata bei Ezpeleta in der Provinz Buenos Aires gefunden. Sie war mit Draht an eine andere Leiche (später identifiziert als Héctor René Navarro) gefesselt ans Ufer getrieben worden. Beide wurden in anonymen Gräbern beigesetzt. Als Todesursache wurde 1985 Strangulation festgestellt.

Die Französin Anita Larrea de Jaroslawsky, die selbst in Militärhaft gewesen war, auf Druck der Regierung in Paris aber freikam, hatte sofort nach ihrer Freilassung in der Botschaft Frankreichs in Buenos Aires berichtet, dass sie am 6. Mai 1976 Zieschank getroffen habe. Das wurde sofort an die deutsche Botschaft weitergegeben.

Erst zwei Monate nach Erhalt dieser Information schrieb Bundeskanzler Helmut Schmidt einen Brief an Juntachef Jorge Rafael Videla, in dem er »dringend um Aufklärung« bat. Zu diesem Zeitpunkt wusste Bonn vom Mord an Zieschank. Der frühere Botschafter in Buenos Aires, Jörg Kastl, berichtete jedenfalls in dem 2003 bei Arte ausgestrahlten Film »Todesursache Schweigen«, er habe im Sommer 1976 von Außenminister Hans-Dietrich Genscher einen »Geheimerlass« erhalten, in dem er über den Tod Zieschanks informiert worden sei. Politisch wurde die Diktatur weiterhin gedeckt. So lobte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Karl Moersch, im Sommer 1976 bei einem Besuch in Argentinien die Wirtschaftspolitik der Militärs und ihren Kampf gegen den Terrorismus. Nach seiner Rückkehr verbreitete Moersch deren Version, Zieschank sei möglicherweise von einer regierungsfeindlichen Gruppe festgehalten worden. Nach seiner Ansicht habe das Regime »nichts verheimlicht«. (jW)

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