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Aus: Die Machtfrage stellen, Beilage der jW vom 13.01.2018
Afrika

Ein neuer Anlauf zur Entkolonialisierung

Die Kräfteverhältnisse in der Welt ändern sich rasch. Das betrifft besonders Afrika
Von Arnold Schölzel
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Kupfererz aus den Kilembe-Minen in Uganda, Aufnahme vom 31. Januar 2013

Eritrea taucht in deutschen Leit­medien vor allem als eines der afrikanischen Länder auf, aus denen besonders viele Flüchtlinge nach Europa wollen. Weniger präsent ist hierzulande Mauretanien, ein Staat, der sich dem »Krieg gegen den Terror« stets besonders eifrig angeschlossen hat, und in dem Sklaverei notorisch ist. Wer sich die Bilder anschaut, die für diese Beilage von der jW-Fotoredaktion ausgesucht wurden, sowie die zugehörigen Texte, erfährt über diese beiden Staaten wahrscheinlich einiges Neues. Die Information, dass der kanadische Bergbaukonzern Nevsun Resources seit 2011 in Eritrea in von ihm gebauten Minen Gold, Kupfer, Zink und andere wertvolle Metalle fördert, findet sich selbst auf deutschsprachigen Wirtschaftsseiten kaum. Noch weniger sind die Klagen von Arbeiterinnen und Arbeitern über gesundheitsschädliche Verfahren, die dort angewendet werden, bekannt. Mauretanien wiederum verfügt über modernste Anlagen, um einen Eisenberg im Norden des Landes abzubauen und um das Erz auszuführen – 90 Prozent gehen in EU-Staaten. Und die neue Goldmine im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo – sie wurde von einem Konsortium erschlossen, das seinen Sitz auf der britischen Kanalinsel Jersey hat. Es lässt ansonsten u. a. im bettelarmen und von französischen und deutschen Truppen beherrschten Mali schürfen. Ähnliches besagen die anderen Fotos. Es lässt sich zusammenfassen: Wie zu Zeiten des »klassischen« imperialistischen Kolonialismus sind die meisten Rohstoffquellen Afrikas oder ist zumindest die Verwertung ihrer Produkte fest in der Hand europäischer und nordamerikanischer Monopole. Vom unablässigen Rohstofffluss zur Vermehrung des Reichtums weniger Richtung Bundesrepublik, Frankreich, Großbritannien usw. erfahren deren Bürger in ihren Medien wenig bis nichts, um so mehr vom »Flüchtlingsstrom«, der sich angeblich aus Afrika Richtung Europa heranwälzt.

Was am Anfang des Kolonialismus stand, die Erzeugung eines kollektiven rassistischen Wahns, mit dem jedes Verbrechen, jeder Völkermord und jahrhundertelang der transatlantische Sklavenhandel gerechtfertigt wurde, feierte in den Jahrzehnten seit dem Ende der Sowjetunion und der europäischen sozialistischen Länder seine Wiedergeburt. Der – auch bewaffneten – Solidarität dieser Staaten mit dem antikolonialen Befreiungskampf Afrikas folgte im vergangenen Vierteljahrhundert die Entfesselung rassistischer Mythen parallel zur Anzettelung der Kriege des Westens, mit denen die befreiten Staaten rekolonisiert werden sollen. Je weniger der Konsument westlicher Medien davon erfährt, desto besser aus Sicht derjenigen, die Krieg befehlen oder dafür in Parlamenten die Hände heben. Wichtiger erscheint die Anstachelung von Dummheit und Niedertracht, mit der Fremdenfeindlichkeit und Rassismus stets verbunden sind.

Aber die Kräfteverhältnisse in der Welt ändern sich. Das betrifft besonders Afrika. Georges Hallermayer zeigt in seinem Beitrag zu dieser Beilage, wie der Aufstieg Chinas zur Großmacht und sein Engagement auf dem Kontinent zur Konfrontation mit dem Westen führt. Das militärische Band von Stützpunkten und geheimen Basen, das die USA und ihre Verbündeten quer durch Afrika gelegt haben, dient nicht nur der Abwehr von Flüchtlingen, sondern auch der Abwehr Chinas. Noch funktioniert die mit Waffen gestützte Ressourcenplünderung durch den Westen, China setzt aber mit seiner auf Handel und gegenseitigen Vorteil gerichteten Politik ein anderes Modell durch. Das begünstigt offenkundig in vielen afrikanischen Staaten das Entstehen antiimperialistischer Bewegungen in Politik und Kultur. Debattiert wird über einen zweiten Anlauf zur Entkolonialisierung, über Selbstbestimmung und Macht. Das widerzuspiegeln ist Anliegen dieser Beilage und der XXIII. Interna­tionalen Rosa-Luxemburg-Konferenz.

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