Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13.01.2024
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Marx 200

Marx 200

Am 5. Mai 1818 wurde Karl Marx geboren – gemeinsam mit seinem Freund Friedrich Engels sollte er Weltgeschichte schreiben. Marx lebte in der Zeit des entstehenden Kapitalismus. Die Analyse der Entfesselung der Produktivkräfte bildet sein wissenschaftliches Hauptwerk. Die Überwindung dieser zutiefst unvernünftigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung war das Hauptinteresse des Politikers und Revolutionärs.

Literatur

  • · Literatur

    Neues aus dem Kapitalozän

    Die Autorin Luise Meier wirft mit Marx einen Blick auf das Leben in Zeiten von Selbstoptimierung und Digitalität
    Erik Zielke
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    »Clickworker« sollen sich als Unternehmer fühlen, die ganz frei verfügen, wem sie ihre Arbeitskraft verkaufen. Diese Art von Unternehmertum verfolge die Betroffenen bis ins Schlafzimmer, schreibt Meier

    Bereits der erste Blick auf »MRX Maschine« macht neugierig. Im Klappentext wird die Autorin vorgestellt: Luise Meier, »geboren 1985 in Ostberlin«, »arbeitet als freie Autorin und Servicekraft«. Nicht allzu häufig kommt es vor, dass in den achtziger Jahren Geborene die Herkunft aus dem untergegangenen Staat DDR hervorheben. Das lässt vielleicht schon auf das historische Bewusstsein schließen, das sie in ihrem Buch dann unter Beweis stellt. Die eigene Tätigkeitsbeschreibung wiederum verdeutlicht, dass Meier nicht nur klarsichtige Beobachterin der Arbeitswelt ist, sondern sich auch über den eigenen Platz im real existierenden Neoliberalismus sehr wohl im klaren ist.

    In ihrem als Manifest bezeichneten Text begibt sich Meier, erfreulich genug, auf die Spur des Proletariats. Will sich kaum jemand noch der Arbeiterklasse zurechnen, gelingt ihr ein interessanter Vorstoß: Ist nicht in Zeiten ständiger Selbstoptimierung, der steten Arbeit an sich selbst, das Proletariat Teil eines jeden von uns, ja in uns? Um zu überleben, steckt in jedem von uns ein Unternehmer; Meier sucht den inneren Proletarier.

    Die Autorin beschreibt treffend unsere Lebenswirklichkeit, die sie mit Donna Haraway Kapitalozän nennt: der Versuch, die entscheidenden politischen Fragen scheinbar in die Verantwortung der Konsumenten zu übergeben, die fast unbemerkte Ersetzung der Stechuhr durch das I-Phone und der Ausschluss der »anderen«, der Opfer von Sexismus, Rassismus und Kolonialismus. Wo die Arbeit sich verändert hat, muss auch der Arbeitskampf anders aussehen. Streik bleibt ein probates Mittel, muss aber nach Meier neue Formen finden: die individuelle Arbeitsverweigerung, Sabotage, Verschwendung von Lebenszeit und das Einstellen der Arbeit an sich selbst. Ist das ein Rückzug? Vielleicht. »Nur ist es nicht unbedingt schlecht, in der Mitte eines tobenden Weltkriegs die Position der Kapitulation einzunehmen.«

    So wie der Marx im Titel des Buches auf das »a« verzichten muss, so beansprucht Meier mit ihrer Marx-­Ex egese in keinem Fall Vollständigkeit. Eine reine Lehre gibt es bei ihr ohnehin nicht. Sie erweitert, sie verknüpft und sie verkürzt, wo es ihr notwendig erscheint. Die Reaktivierung von Marxens Philosophie ist für sie nicht ohne feministische, queere und postkoloniale Theorie zu machen. Dass sie bei alldem aber nie den Ausgangspunkt ihrer Überlegungen aus den Augen verliert, muss man ihr zugute halten. Sie versteht den Einsatz für die Ausgestoßenen als Rehabilitation des »Lumpenproletariats«. Nicht zuletzt diesem gilt Meiers Solidarität.

    Ihre Energie und ihre Lust am Denken sind dem Text anzumerken. Von Adorno springt die Autorin zu Gil Scott-Heron, von Rosa Luxemburg zu Klaus Theweleit, von Walter Benjamin zu Ingeborg Bachmann. Die vielfältigen Referenzpunkte sind dabei kein Zeichen von intellektueller Eitelkeit, sondern Ausdruck von Kenntnisreichtum. Stakkatohaft liefert sie bedenkenswerte Thesen. Im besten Fall gelingen ihr dabei kluge, scharfe Sätze von aphoristischer Klarheit. Etwa wenn sie über den Zwang zur Selbstoptimierung bemerkt: »Wenn das Unternehmertum einen bis ins Schlafzimmer verfolgt, ist es sinnvoll, die Instrumente des Klassenkampfs nicht im Spind oder im Gewerkschaftshaus liegenzulassen«, oder wenn sie über Geschlechtergerechtigkeit ohne Berücksichtigung sozialer Realitäten formuliert: »Inwiefern kann die prekär beschäftigte Putzfrau mit prekärem Aufenthaltsstatus aber dasselbe meinen wie ihre Arbeitgeberin, wenn es heißt: ›Gleicher Lohn für gleiche Arbeit‹?« Mitunter sind es allerdings gerade solche Aussagen, die nur unzureichend kontextualisiert sind. Wo aber Luise Meier keine hinlängliche Herleitung liefert, vielleicht nicht liefern will, da bietet sie zumindest reichlich Diskussionsstoff und eine anregende Lektüre.

  • · Literatur

    Mit Marx gegen Marx

    Holger Wendt hat Methoden und Ergebnisse der »Neuen Marxlektüre« überprüft
    Klaus Müller
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    Manche lesen ihn, andere lesen ihn »neu«: Karl Marx

    Die »Neue Marxlektüre« versteht sich als Abgrenzung zum »dogmatischen Marxismus in den realsozialistischen Ländern«. Sie behauptet, die »orthodoxen Dogmatiker« hätten Marxens Lehre deformiert. Es ginge darum, zurückzukehren zu den Texten von Marx. Die Auffassung hat in linken Kreisen Anhänger. Zur rechten Zeit ist eine kleine, bemerkenswerte und notwendige Schrift erschienen, die sich dieses Problems annimmt und der viele Leser zu wünschen sind, weil sie einiges richtigstellt. Ihr Auto, Holger Wendt, prüft, ob die »Neue Marxlektüre« dem Anspruch gerecht wird, »die authentische Marxsche Lehre gegen Verfälschungen einer ebenso verstockten wie inkompetenten Orthodoxie« zu verteidigen. Der Streit zwischen ihr und der »ebenso eingängig wie unpräzise als Traditions- bzw. Arbeiterbewegungsmarxismus« abgekanzelten marxistisch-leninistischen Deutung des Marxschen Werkes dauert mittlerweile über fünf Jahrzehnte. Eine Annäherung ist nicht in Sicht. Die Gräben sind tiefer denn je.

    Irrtümer und Fehldeutungen der »Neuen Marxlektüre« sind zahlreich. Wendt nennt signifikante Beispiele: Etwa den Streit darüber, welche Forschungs- und Darstellungsmethoden Marx wählt. Die »neuen Marxleser« meinen, es sei ausschließlich die logische Methode, Holger Wendt sagt, Marx wende die dialektische Methode an. Sie schließe logische und historische Elemente ein. Er begründet dies am Beispiel der Wertformana­lyse. Sie ist keineswegs, wie die »Neue Marxlektüre« behauptet, ein logisches Konstrukt ohne historisch-empirische Relevanz. Wendt weist den Autoren der »Neuen Marxlektüre« eine fragwürdige, selektive Zitierweise nach. Er zeigt, wie sie Sätze aus dem Zusammenhang reißen und ihnen Bedeutungen unterschieben, die sie nicht haben. Was für die Wertformanalyse und die Geldwerdung im einzelnen gilt, trifft für die kapitalistische Produktionsweise als Ganzes zu: »Während die ›Neue Marxlektüre‹ das gegenwärtige Sein des Kapitalismus von seinem Werden und Vergehen trennt (…), betont Marx nachdrücklich den Zusammenhang von Entstehung, Existenz und Vergehen.« Das historische Element im Werk von Marx anzuerkennen, heißt nicht, das logische auszuschließen. Auch wenn Marx nicht von der logischen Methode spricht: Ohne Begriffsbestimmungen, Vergleiche, Analysen, Synthesen, Abstraktionen und Verallgemeinerungen ist sein Werk undenkbar. Es aber darauf zu reduzieren und ihm das Historische abzusprechen, ist ein Fehler der »Neuen Marxlektüre«. Dialektik – das ist auch die Einheit von Logischem und Historischem.

    »Zu den verbreitetsten Mythen der Neuen Marxlektüre« zähle, so Wendt, »die Behauptung, Marx habe den Gegenstand seines Hauptwerkes als die kapitalistische Produktionsweise in ihrem ›idealen Durchschnitt bestimmt‹.« Marx erwähnt den Ausdruck einmal im Zusammenhang mit den Beziehungen zwischen Wert und Preis. Das Spiel zwischen Angebot, Nachfrage und den Preisen ist für ihn banal. Spannend ist dagegen die Frage, was den Preis bestimmt, wenn Angebot und Nachfrage gleich groß sind und sich ihr Einfluss auf den Preis aufhebt. Der Preis im Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage entspricht dem Wert der Ware. Er ist das verborgene Wesen des Preises. Marx sucht das Typische, das Notwendige, das Allgemeine in den Erscheinungen. Das Äußere, die den Sinnen zugänglichen Abweichungen, interessieren ihn wenig. Er will das ökonomische Gesetz finden, das Innere, den »idealen Durchschnitt« eben. Auch der »ideale Durchschnitt« hat seine Geschichte. Er ist nicht nur das Gewordene, wie die »Neue Marxlektüre« ihn versteht.

    In klarer Sprache und überzeugend begründet Wendt, dass von der einst mit ungetrübtem Selbstbewusstsein verbreiteten These der »Neuen Marxlektüre«, Engels und der traditionelle Marxismus hätten Marx missverstanden, nicht viel geblieben ist. Wer Marxens Ansichten kennenlernen will, muss seine Texte lesen. Er muss es genau tun und einzelnes in die richtigen Zusammenhänge bringen. So geht Wendt vor, und so ist es gut. Das ist ein Vorzug seiner Schrift. Sie bietet dem Leser die Möglichkeit, den Originaltext und dessen Auslegung durch die »Neue Marxlektüre« zu vergleichen. Die Differenzen fallen auf. Die Autoren der »Neuen Marxlektüre« kennen sie natürlich. Um sich gegen Kritik zu immunisieren, lasten sie die Widersprüche Marx an. Er habe Fehler gemacht, ihm seien Ungenauigkeiten unterlaufen, seine Aussagen seien voller Ambivalenzen. Deshalb könne man die Richtigkeit der Interpretation nicht durch einen einfachen Vergleich mit dem Text herausfinden. Was Marx hätte sagen wollen oder sagen müssen, wissen allein die Autoren der »Neuen Marxlektüre«. Auf die Idee, dass sie selbst falsch liegen könnten, kommen sie nicht. Marx gegen Marx ausspielen – das ist der letzte Versuch, die eigene Fehlinterpretation zu retten. Holger Wendts bravouröse Polemik wird vermutlich die Autoren der »Neu en Marxlektüre« auch diesmal nicht nachdenklich stimmen oder gar zur Selbstkritik anregen. Eher ist damit zu rechnen, dass die katholische Kirche das Dogma von der unbefleckten Empfängnis Marias aufgibt.

  • · Literatur

    Noch immer ein Sprengsatz

    Die Philosophiezeitschrift Widerspruch würdigt Karl Marx
    Reinhard Jellen
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    Das Gegenteil von Reduktionismus, immer wieder

    Naheliegenderweise widmet die Münchner Philosophiezeitschrift Widerspruch Geburtstagskind Karl Marx ihre neueste Ausgabe. Die Aktualität seines Denkens verhandeln darin in zwanzig Stellungnahmen renommierte Philosophen und Gesellschaftswissenschaftler aus dem In- und Ausland. Es ist auffällig, dass alle Autoren mit der Marxschen Denkweise etwas anzufangen wissen. Das war freilich nicht immer so. Gegen sie wurde lange eine Reihe Standardargumente ins Feld geführt: Der Ökonomismus sei reduktionistisch, der Fortschrittsoptimismus veraltet, die Kapitalismusanalyse antiquiert etc. pp. Keiner dieser traditionellen Einwände findet sich in den Beiträgen. Die meisten Autoren heben vielmehr hervor, dass Marx’ Verfahren paradigmatisch für eine Wissenschaft sei, die den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang vor Augen habe – also das Gegenteil von Reduktionismus.

    Dieser grenzüberschreitende Charakter des Marxschen Schaffens betreffe sowohl die empirischen Einzelwissenschaften wie die begrifflich-systematische Philosophie. So hebt etwa Martin Schraven hervor, wie Marx ständig darum rang, das Verhältnis von dialektischem Denken, verständiger Erkenntnis und sinnlicher Wahrnehmung in der Wissenschaft zu bestimmen. Offenbar wird seine Theoriebildung als Kontrast zu den immer weiter auseinanderdriftenden Spezialwissenschaften und zu einem »Fachidiotentum« wahrgenommen, das sich gerade in den Gesellschaftswissenschaften ausbreitet. Allerdings steht eine Reihe von Autoren wie Daniel Loick, Tilman Reitz oder Hans-Martin Schönherr-Mann der Marxschen Dialektik skeptisch gegenüber, die sie durch andere Verfahren wie etwa die geneologische Methode Foucaults oder die Systemtheorie Luhmanns ersetzen oder zumindest ergänzen wollen.

    Fast in allen Beiträgen wird hervorgehoben, dass das Marxsche Werk nicht abgeschlossen, sondern ein »Work in progress« gewesen sei. Martin Bondeli fasst dies passend ins Bild einer »Baustelle«, an der heute weiterzuarbeiten, dabei aber auch manches abzutragen und zu ersetzen, manches zu restaurieren und an einigen Stellen auch anzubauen wäre. Weniger die Marxsche Theorie als vermeintlich in sich geschlossenes System, sondern sein unabgeschlossenes, sich ständig erweiterndes und Neues verarbeitendes Denken wird heute als vorbildlich angesehen. Über das Methodische hinaus wird Marx – freilich mit unterschiedlicher Gewichtung – auch als »Philosoph der Praxis« verstanden, für den die Theoriebildung zugleich integrales Moment der Veränderung der bestehenden Verhältnisse war. Michael Hirsch nennt beispielsweise den Kampf für die Reduktion der notwendigen Arbeitszeit, Martin Schraven die Forderung nach Überwindung des Privateigentums an Produktionsmitteln und Werner Seppmann die Aufklärung verdinglichter Bewusstseinsformen.

    Überraschende Einigkeit herrscht unter den Autoren auch hinsichtlich der »analytischen Kraft« des »Kapitals«, welche nicht nur die Produktivität, sondern vor allem die Destruktivität der kapitalistischen Produktionsweise begreiflich macht. War es lange Zeit üblich, seine »Kritik der politischen Ökonomie« mit dem Argument zu historisieren, Marx habe »nur« den Konkurrenzkapitalismus des 19. Jahrhunderts vor Augen gehabt, nicht aber die »soziale Marktwirtschaft« oder den »Monopolkapitalismus« des 20. Jahrhunderts, so sind diese Stimmen angesichts des globalen »Turbokapitalismus« offenbar verstummt. Dominik Finkelde zeigt die unmittelbare Fruchtbarkeit der Marxschen Kategorie des »Fetischcharakters der Ware« für die Analyse gegenwärtiger quasi-religiös aufgeladener Statussymbole, etwa aus dem Hause Apple. Elmar Altvater legt dar, dass allein die Einsicht in den »Doppelcharakter der Arbeit« ein rechtes Verständnis der kapitalistischen Dynamik der Naturzerstörung ermöglicht. Und Fritz Reheis führt aus, wie sich mit Hilfe des Kapitalbegriffs (als sich verwertender Wert) die parallel erfolgenden Vorgänge räumlicher Globalisierung und zeitlicher Beschleunigung ökonomischer und sozialer Prozesse verstehen und kritisieren lassen. »Allein ein Blick auf die real existierenden Formen des Kapitalismus zeigt«, fasst Konrad Paul Liessmann zusammen, »dass Marxens Werk mehr ist als ein Steinbruch – richtig gelesen, wäre es noch immer ein Sprengsatz«.

  • · Literatur

    Der zuletzt lacht

    Ein neuer Katalog mit Marx-Cartoons aus aller Welt
    Stefan Siegert, Deutschland – 1. Platz
    Konstantin Kazanchev, Ukraine – 1. Platz
    Raed Khalil, Syrien – 2. Platz
    Ehsan Ganji, Iran – 3. Platz
    Stefan Siegert, Deutschland
    Mahdi Afradi, Iran
    Makhmudjon Eshonkulov, Makhmud (Usbekistan)
    Marek Tofil, Polen

    Es ist schon eine Weile her, dass britische Kommunisten beim Hamburger Stefan Siegert anfragten, ob sie seine Zeichnung des lachenden Karl Marx auf einige Merchandising-Produkte drucken lassen dürften. Gemalt hatte Siegert das Bild 1979 auf dem »Höhepunkt revolutionärer Euphorie«, wie er sagt: »Wir hatten Vietnam gewonnen, die Nelkenrevolution in Portugal war zunächst gelungen …« Er gab sein Okay und schlug statt der angebotenen bescheidenen Bezahlung vor, das Ganze nach der Revolution zu verrechnen.

    Bisher gibt es noch keine T-Shirts oder Tassen mit dem Bild. Aber es wurde auf den Titel eines druckfrischen Katalogs mit Marx-Cartoons gehoben. Es handelt sich um eine Auswahl unter Hunderten Einsendungen zu einem Wettbewerb, den der Ken-Sprague-Fonds anlässlich des 200. Marx-Geburtstags zusammen mit der sozialistischen Tageszeitung Morning Star und der Londoner Marx Memorial Library organisierte. Ken Sprague (1927–2004) war ein kommunistischer Grafiker und Karikaturist, der viel für den Morning Star gezeichnet hat.

    Siegerts lachender Philosoph ist einer von zwei Gewinnern. Der andere erste Preis ging an Konstantin Kazanchev aus der Ukraine für einen Marx, der einem jungen Skater zeigt, wie die Revolution zu gewinnen ist: mit Hammer und Sichel. Das Symbol der Einheit von Arbeitern und Bauern spielt in einem Dutzend Zeichnungen des Bandes eine mehr oder weniger große Rolle. Bei Sergey Drozdov (Russland) baumelt es am Rückspiegel eines Taxis, bei Mahdi Afradi (Iran) ziert es die Kühlerfigur einer Staatskarosse, bei Trayko Popov (Bulgarien) bilden die beiden Werkzeuge Marx’ Brauen, bei Hule Hanusic (Österreich) werden sie im Fundbüro (»Lost Things«) abgegeben usw.

    Wenige Zeichner sind mehrmals vertreten, darunter die Gewinner. Das zweite Bild von Kazanchev ist eine angefressen wirkende Variation auf »Sohn eines Menschen« des belgischen Surrealisten René Magritte (1898–1967). Siegert ist noch mit einem Baum ohne Blätter vertreten, dessen Zweige ein mürrisches Marx-Konterfei ahnen lassen. Diese Zeichnung stammt von Mitte der 80er Jahre und ist »schon nicht mehr so optimistisch«, wie der Urheber meint. Und schließlich ist da noch sein Wimmelbild mit Austromarxist (ganz rechts auf dieser Doppelseite), gemalt im Jahre 1989 noch vor dem Ende der DDR, »als man das Gefühl hatte, dass uns die Felle wegschwimmen, wir bis zu den Knien im Wasser stehen und nicht wissen, ob es sinken oder steigen wird«. So viel hat sich da einstweilen nicht geändert. Aber wir werden den Humor nicht verlieren. (jW)