Brasiliens Kampf gegen Armut
Von Carmela Negrete
Es ist eine Nachricht, die selbst in der brasilianischen Presse weitgehend untergehen sollte: Am 26. November unterzeichnete der linke Präsident Luiz Inácio Lula da Silva die größte Steuerreform in der Geschichte des Landes. Nach Regierungsangaben sollen dadurch rund 15 Millionen Geringverdiener entlastet werden. Menschen, die weniger als 5.000 Real (rund 770 Euro) im Monat verdienen, müssen künftig keine Einkommenssteuer mehr zahlen. Das betrifft etwa zehn Millionen Arbeiter – die Ärmsten im Land. Wer bis zu 7.350 Real verdient, profitiert von einer Steuerermäßigung; das sind weitere fünf Millionen Menschen. Die neue Regelung gilt bereits für die anstehende Steuererklärung im kommenden Jahr. Da die bisherigen Abgaben mehrere Hundert Euro pro Jahr betrugen, werden die ärmeren Brasilianer ab 2026 somit deutlich mehr Geld in der Tasche haben.
Lula da Silva kann sich bei seinen Reformvorhaben auf seine eigene Vergangenheit als Kinderarbeiter und seine Armutserfahrungen als Beschäftigter in der Metallindustrie berufen. »Ungleichheit zu bekämpfen, bedeutet, die Fähigkeit zu haben, sich über das zu empören, was falsch ist«, sagte er bei der Vorstellung der Maßnahme in Brasília, heißt es in der zugehörigen Regierungsmitteilung. »Ein guter Regierungschef sorgt sich um diejenigen, die unsichtbar sind.« Der Präsident und ehemalige Gewerkschaftsführer während der Zeit der Militärdiktatur gibt sich überzeugt: »Viel Geld in den Händen weniger bedeutet Elend, aber wenig Geld in den Händen vieler bedeutet Verteilung von Reichtum.« Mit der Reform wolle er den Grundstein für den Aufbau einer Mittelschicht legen und die Ungleichheit im Land verringern, so Lula da Silva weiter.
Finanzminister Fernando Haddad erklärte ferner, man wolle der »Bevölkerung ein Mindestmaß an Würde garantieren«. Um die entgangenen Steuereinnahmen auszugleichen, verabschiedete Lulas Kabinett ein weiteres Gesetz: Jahreseinkommen von über 600.000 Real (rund 92.000 Euro) werden künftig mit bis zu zehn Prozent besteuert. Davon sind etwa 140.000 Brasilianer betroffen.
Die Maßnahmen folgen den Regierungsbemühungen um die Reduktion der extremen Armut im Land. Das Brasilianische Institut für Geographie und Statistik (IBGE) stellte Anfang Dezember fest, dass zwischen 2023 und 2024 die Armut von 27 auf 23 Prozent gefallen ist. Bei rund 212 Millionen Einwohnern in Brasilien betrifft das etwa 8,6 Millionen Menschen. Im Welthungerbericht der UNO vom Juli dieses Jahres konnte Brasilien von der Liste der Länder mit extremer Hungersnot gestrichen werden. Zu den konkreten Maßnahmen, durch die seit 2023 mehr als zehn Millionen Brasilianer aus dramatischster Armut und Hunger herausgeholt wurden, gehören Finanzförderungen für den Lebensmittelerwerb, das Programm »Solidarische Küche«, die Anhebung des Mindestlohns sowie die Verbesserung der Schulverpflegung. Zudem ist Brasiliens Wirtschaft im vergangenen Jahr um rund drei Prozent gewachsen, gefördert unter anderem durch ein staatliches Programm für »grüne« Industrialisierung.
Mit der Steuersenkung und dem Erlass für Geringverdiener erfüllt Lula eines seiner Wahlversprechen – knapp ein Jahr vor der nächsten Wahl, denn im Oktober 2026 wird in Brasilien erneut zur Urne gegangen. Als Gegner zur Wahl tritt Flávio Bolsonaro an, der Sohn des verurteilten Expräsidenten Jair Bolsonaro. Letzterer wurde im September zu 27 Jahren Haft wegen des versuchten Putsches verurteilt. Diese konnte er bisher im Hausarrest zubringen, musste jedoch nach einem kürzlichen Manipulationsversuch an seiner Fußfessel zuletzt wieder ins Gefängnis. Auch die Generäle Walter Braga Netto und Paulo Sérgio Nogueira de Oliveira, beide ehemalige Verteidigungsminister, wurden im Zusammenhang mit dem versuchten Staatsstreich verurteilt.
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