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Aus: Ausgabe vom 31.12.2025, Seite 3 / Abgeschrieben

Neujahrsbotschaft von Abdullah Öcalan

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Plakat für die Freiheit von Abdullah Öcalan auf einer Demonstration in Köln (8.11.2025)

Der auf der türkischen Gefängnisinsel İmralı inhaftierte Vordenker der kurdischen Befreiungsbewegung, Abdullah Öcalan, hat am Dienstag eine Neujahrsbotschaft veröffentlicht:

Beim Eintritt in ein neues Jahr müssen wir uns erneut bewusst machen, wie Nationalismus, verwoben mit imperialistischen Interventionen, den Nahen Osten im vergangenen Jahrhundert in tiefe Konflikte, Zerstörung und gesellschaftliche Spaltungen gestürzt hat. Die heutigen Erscheinungsformen von Sektierertum und ethnischem Nationalismus in der Region wurzeln in dieser leidvollen und jüngeren Geschichte. Bedauerlicherweise wird die hegemoniale Strategie des »Teile, herrsche und provoziere« auch heute in unterschiedlichen Formen fortgeführt.

Gerade deshalb ist die von uns entwickelte Perspektive von Frieden und demokratischer Gesellschaft nicht bloß eine Option, sondern eine historische Notwendigkeit. Richtig verstanden und umgesetzt, kann sie neuen Konflikten vorbeugen und das gemeinsame, gleichberechtigte und freie Leben der Völker ermöglichen. Unsere vordringlichste Aufgabe im kommenden Zeitraum besteht darin, potentielle neue Konflikte frühzeitig zu verhindern und irreversible Folgen abzuwenden.

Die sich verschärfenden Krisen und politischen Konflikte im Nahen Osten sind eine Folge des autoritär geprägten, auf Macht und Staat fixierten despotischen Zivilisationsmodells, das die Region seit Jahrtausenden prägt und zunehmend an seine Grenzen stößt.

Im Zentrum dieser Krise steht die ungelöste kurdische Frage, deren Lösung nur durch gesellschaftlichen Frieden und demokratische Verständigung möglich ist. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass diese Problematik nicht durch militärische und sicherheitspolitische Maßnahmen, sondern auf der Grundlage des Willens der Völker in einem demokratischen Rahmen angegangen wird.

Wir dürfen nicht vergessen: Ohne die Befreiung der Frau ist keine Befreiung der Gesellschaft möglich. Solange das patriarchale Denken nicht überwunden ist, endet die Kultur des Krieges nicht, und Frieden kann nicht dauerhaft werden. Deshalb betrachte ich die Frauenbefreiung als ein grundlegendes und unverzichtbares Prinzip der demokratischen Gesellschaft.

Das chaotische Bild, das sich derzeit in Syrien zeigt, ist ein deutliches Zeichen für den dringenden Bedarf an Demokratisierung. Das über Jahre bestehende autoritäre, zentralistische System, das Identitäten unterdrückt hat, hat den Ruf nach Freiheit und Gleichheit bei Kurden, Arabern, Alawiten und allen Bevölkerungsgruppen weiter verstärkt.

Die zentrale Forderung des am 10. März zwischen den Demokratischen Kräften Syriens und der Regierung in Damaskus unterzeichneten Abkommens ist ein demokratisches politisches Modell, in dem Völker gemeinsam und in Selbstverwaltung leben können. Dieser Ansatz beinhaltet auch die Möglichkeit einer verhandelbaren, demokratischen Integration mit der zentralen Staatsstruktur. (…) Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Türkei sowohl im Interesse des regionalen Friedens als auch zur Stärkung des inneren Friedens im eigenen Land in diesem Prozess eine vermittelnde, konstruktive und dialogbereite Rolle einnimmt. (…)

Ich hoffe, dass das neue Jahr den Weg zu Frieden, Freiheit und einer demokratischen Zukunft in der Türkei, im Nahen Osten und weltweit ebnet. (…)

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