Was sind Wege zu mehr bezahlbaren Wohnungen?
Interview: Kristian Stemmler
Die Zahl der Zwangsräumungen ist 2024 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 2.000 auf 32.358 Räumungen gestiegen, also um sieben Prozent, wie eine Anfrage der Linke-Fraktion im Bundestag ergab. Wo sehen Sie die Ursachen?
Wohnkosten und alle Lebenshaltungskosten sind in den vergangenen Jahren extrem angestiegen. Kündigungen wegen Zahlungsverzugs haben deshalb zugenommen, denn viele Mieter und Mieterinnen geraten in Zahlungsschwierigkeiten. Auch die Zahl der Eigenbedarfskündigungen hat spürbar zugenommen. Zur Jahrtausendwende wurden viele Mietshäuser umgewandelt. Die nach einer Umwandlung in eine Eigentumswohnung gültigen zehnjährigen Kündigungssperren sind ausgelaufen. Auch ist es angesichts der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu leicht geworden, wegen Eigenbedarfs zu kündigen. Oft wird der sogar nur vorgetäuscht, um mit der leeren Wohnung einen höheren Kaufpreis oder eine höhere Miete zu erzielen.
In Hamburg stieg die Zahl der Räumungen um mehr als 16 Prozent auf 1.091 an. Das sind 6,3 Zwangsräumungen je 10.000 Einwohner. Bremen und Berlin haben noch schlechtere Quoten.
Was selbstverständlich mit dem hohen Mietniveau in den Städten zu tun hat. Viele Menschen geben mittlerweile mehr als 50 Prozent ihres Einkommens für die Miete aus, und dann wird es leider oft eng beziehungsweise unbezahlbar.
Was wird aus Mietern, die Opfer einer Zwangsräumung geworden sind?
Die Menschen landen bei Freunden und Bekannten sowie in Wohnunterkünften und einige tatsächlich auf der Straße. Das hängt stark vom sozialen Netz der Betroffenen ab.
Was halten Sie von einem Verbot von Zwangsräumungen, wie es die Partei Die Linke fordert?
Zwangsräumungen sind teuer und unmenschlich, wenn die Konsequenz ist, dass Menschen auf der Straße landen. Viele Kündigungen und Räumungen werden von den Mietervereinen – und häufig durch ein Einstehen der Fachstellen zur Wohnungssicherung – abgewendet. Dieses Hilfesystem muss ausgeweitet werden, und es darf nicht sein, dass Menschen auf der Straße landen.
Wo sehen Sie die geeigneten Wege zu mehr bezahlbaren Wohnungen?
Da das Bauen keine schnelle Lösung liefert, müssen Bestandsmietverhältnisse besser geschützt werden: vor Mieterhöhungen und Kündigungen. Die Reform von Paragraph 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes erscheint mir effektiver als das Herumbasteln an der schlecht gemachten Mietpreisbremse. Dann können überhöhte Mieten herabgesetzt werden, und den Vermietern und Vermieterinnen drohen Strafen, wenn sie zu hohe Mieten verlangen. Um das Angebot günstiger Wohnungen zu erhöhen, sollten größere Bestandshalter verpflichtet werden, einen Teil ihrer Wohnungen zu niedrigen Mieten anzubieten. Denn Eigentum verpflichtet!
Ein Mietendeckel oder zumindest ein Absenken der Kappungsgrenze und damit der Erhöhungsmöglichkeiten innerhalb von drei Jahren müssen schnell auf den Weg gebracht werden. Außerdem ist der ganze Mieterschutz nur so gut wie sein Kündigungsschutz. Gekaufter Eigenbedarf gehört verboten, und Eigenbedarf sollte wirklich nur auf einen engen Personenkreis begrenzt werden. Sonst werden Mieter und Mieterinnen, die sich gegen überhöhte Mieten wehren, einfach mit einem vermeintlichen Eigenbedarf vor die Tür gesetzt.
Sogenannte Schonfristzahlungen sollen auch auf befristete Kündigungen ausgeweitet werden. Was bedeutet das, und ist das ein Fortschritt?
Das ist so überfällig wie kaum eine andere Reform. Wer einmal in Zahlungsrückstand gerät, soll nicht auf der Straße landen. Deshalb gibt es die sogenannte Schonfristzahlung: Durch die vollständige Zahlung eines Rückstandes wird eine fristlose Kündigung unwirksam. Lange meinten die Gerichte, auch eine fristgemäße Kündigung wegen Zahlungsverzuges werde durch eine Schonfristzahlung unwirksam – bis der Bundesgerichtshof das anders entschied. Seitdem und damit seit über 15 Jahren streiten wir für eine gesetzliche Klarstellung, die laut der »schwarz-roten« Koalition noch in diesem Jahr kommen sollte. Das wäre ein Fortschritt, denn damit können viele Kündigungen und damit Räumungen vermieden werden.
Sylvia Sonnemann ist Geschäftsführerin des Hamburger Vereins »Mieter helfen Mietern«
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