Dual-Use in der Luft
Von Luca von Ludwig, Cochstedt
Wo lässt sich Technik testen, die im Probelauf gerne mal unvorhergesehen etwas kaputtmacht? Die USA machen das ja in den Wüsten ihrer südwestlichen Bundesstaaten. Mangels solcher menschenleeren Gegenden muss man sich hierzulande mit den Feldern des dünn besiedelten Sachsen-Anhalts begnügen: Am Flughafen Magdeburg-Cochstedt, nahe Bernburg, befindet sich ein Versuchsfeld mit dem klangvollen Namen »Nationales Erprobungszentrum für unbemannte Luftfahrtsysteme« des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Das hatte am Montag – anlässlich der Fertigstellung des neuen Hauptgebäudes – zu einer Präsentation seiner Aktivitäten in der Erforschung von Drohnen eingeladen. Die unbemannten Flugobjekte gelten spätestens seit dem Krieg in der Ukraine als Nonplusultra auf den Schlachtfeldern, und auch im zivilen Bereich gibt es vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. In Cochstedt konnte sich neben der Selbstbeweihräucherung der an dem Projekt beteiligten Politikabteilungen auch ein Bild von der zunehmenden Verzahnung ziviler und militärischer Technologieforschung gemacht werden.
Zunächst durften sich reihum allerlei Landespolitiker und DLR-Vertreter für den Aufbau der Forschungseinrichtung loben. Zugegen waren unter anderem der Landesministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und sein Stellvertreter und Wissenschaftsminister, Armin Willingmann (SPD). Zur Geschichte des Testzentrums gehört, dass der Flughafen (Baujahr 1957, damals als Militärstützpunkt) nach der Eingliederung der DDR zunächst zum Verkehrsflughafen umgebaut wurde. Alsbald ging der Betreiber pleite, und das Gelände wurde privatisiert. Es folgten einige Eigentümerwechsel und Verhandlungen mit mal mehr, mal weniger seriösen potentiellen Abnehmern. Ab 2017 wurde das DLR als möglicher Käufer ins Spiel gebracht, 2019 erfolgte die Übernahme. 2021 wurde das »Nationale Erprobungszentrum« offiziell eröffnet, seit 2022 darf der Flugplatz auch wieder für den Passagierverkehr genutzt werden.
Der Standortvorteil ist somit, dass die Erprobung von unbemannten Luftfahrtsystemen mit relativ geringem Risiko, aber unter realistischen Bedingungen erfolgen kann. 2024 habe es 175 Nutzungstage gegeben, erfährt man auf der Veranstaltung, etwa die Hälfte davon durch »externe Partner«, also Auftraggeber aus Industrie und Behörden. Grund zur Freude für die Regionalpolitik: Von einem »wichtigen weiteren Meilenstein« sprach Haseloff angesichts des neuen Hauptgebäudes.
Denn so bemüht die Vertreter des DLR und die Gäste auch waren, die vielfältigen Anwendungsbereiche von Drohnen hervorzuheben – vom Ausliefern von Medikamenten in infrastrukturell schlecht aufgestellten Gebieten bis zur Waldbrandbekämpfung im von diesen geplagten Harz – so klar ist, dass auf das militärische und polizeiliche Potential ein besonderes Augenmerk gelegt wird. Entsprechend war neben einigen uniformierten Militärs auch eine Lobbyistin des Waffenherstellers Hensoldt zugegen, welcher auf Luftfahrtelektronik spezialisiert ist. Haseloff berichtete von seiner jüngsten Reise zur Ostflanke der NATO nach Litauen und zum dortigen Forschungszentrum für Drohnenabwehr und lobte die dort weniger ausgeprägte »bei uns historisch gewachsene Trennung zwischen ziviler Nutzung und militärischer Nutzung«.
Willingmann pflichtete ihm auf jW-Nachfrage bei: Zwar sei das Erprobungszentrum unter zivilen Vorzeichen bei Cochstedt angesiedelt worden. Mittlerweile habe aber insbesondere die Drohnenabwehr einen hohen Stellenwert: »Ein solches nationales Erprobungszentrum wird nicht feinnervig unterscheiden können zwischen ziviler und sicherheitstechnischer Nutzung.« Auch die Hochschulen sollen nach seiner Meinung zur Erfüllung der »Sicherheitsbedürfnisse« beitragen: »Ich halte es nicht für geboten, dass wir militärische Forschung an dieser Stelle ausschließen«, sagte der Landeswissenschaftsminister mit Blick auf etwaige Zivilklauseln, wie es sie in anderen Bundesländern gibt.
Beendet wurde die Veranstaltung mit einer Führung durch den Hangar, in dem die Drohnenabwehr erforscht wird. Zu begutachten waren vor allem Radarsysteme – darunter eines des israelischen Rüstungskonzerns Elbit, das eigens für das DLR-Zentrum zusammengestellt wurde – und kleinere Abfangdrohnen, die das gegnerische Flugobjekt auf verschiedene Art zum Absturz bringen. Auch Jamming und Spoofing, also das Stören beziehungsweise Imitieren von Signalen, werden in Cochstedt erprobt. Bei einer kürzlichen Großübung der Bundespolizei habe man einen Störsender eingesetzt, der stark genug gewesen sei, den Funkverkehr auf dem gesamten Gelände lahmzulegen. Besonders stolz ist man auf ein unbemanntes Halbsegelflugzeug, das als Pseudosatellit in 20 Kilometer Höhe eingesetzt werden kann und somit eine verlegbare Plattform für Sensorstationierung bietet.
Auf Nachfragen zur Kooperation mit militärischen Partnern wurde zwar ausweichend reagiert und statt dessen auf eine Demonstration von Drohnen zur Lieferung von Lebensmitteln in Krisengebieten im Hangar nebenan verwiesen. Doch die technologischen Überschneidungen demonstrieren: Drohnen, die an einem Ort zur Versorgung mit dem Nötigsten eingesetzt werden, können andernorts die Logistik für ein Schlachtfeld übernehmen. Die Trennung zwischen Militär- und Zivilleben schwindet stetig weiter dahin – auch in Cochstedt.
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