Was sind die Kräfteverhältnisse?
Interview: Max GrigutschDer Ausschlussantrag aus der Partei Die Linke gegen Sie wurde gestellt von Martin Schirdewan, ehemaliger Parteichef, und Katina Schubert, ehemalige Berliner Landesvorsitzende. Warum kümmern sich zwei führende Personen um den Rauswurf eines einfachen Parteimitglieds?
Das war ein Signal an die gesamte Parteilinke: Wenn ihr den Rahmen überschreitet, dann machen wir Sense. Es stand definitiv ein politisches Motiv dahinter. Weil ich nicht hinter das im Völkerrecht verankerte Recht auf Widerstand gegen Besatzung zurückfalle, wird mir vorgeworfen, dass ich das Prinzip der Gewaltlosigkeit der Linkspartei nicht achte. Dabei befürwortet Schubert selbst Waffenlieferungen an die Ukraine. Auch bei der NATO sehen sie es nicht so eng mit dem Prinzip der Gewaltlosigkeit. Und ich als jemand, der für gewaltlose Verhältnisse in einer sozialistischen Gesellschaft kämpft, der einen Unterschied macht zwischen Unterdrückern und Unterdrückten und struktureller Gewalt und Gegengewalt, die daraus resultiert, werde an den Pranger gestellt.
Am Wochenende Ihres Ausschlusses hat sich die proisraelische Bundesarbeitsgemeinschaft »BAG Shalom« in der Partei wiedergegründet. Kurz darauf hat sich dann die »BAG Palästina-Solidarität« konstituiert. Wie kann es sein, dass zwei so gegensätzliche Lager in der Partei existieren?
Die Partei ist voll von Widersprüchen. Sie kommt aus der antikapitalistischen, globalisierungskritischen Bewegung. Gleichzeitig hat sich die Parteibürokratie in Regierungsbeteiligungen verfestigt. Das allein bringt schon eine riesige Kluft zwischen Aktivismus und Bürokratie mit sich, wobei letztere oft gegen die Bewegung steht, was ja bei Palästina auch der Fall ist. Es gibt viele in der Partei, die einen sozialistischen Anspruch haben, die sich nicht der Staatsräson an der Seite Israels beugen. Die Widersprüche in der Partei sind zum Zerbersten gespannt.
Und wie sind die Kräfteverhältnisse?
An der Basis ist Palästina-Solidarität viel verbreiteter als an der Parteispitze. Wenn man sich Umfragen anschaut, sehen knapp 80 Prozent der Wählerbasis der Partei das, was in Gaza passiert, als Genozid an. Das passt nicht zusammen damit, dass die Parteispitze immer noch nicht von einem Genozid spricht. Aber der Sog des Parlamentarismus ist nicht zu unterschätzen. Diese Widersprüche entstehen, weil die Linkspartei weder Fisch noch Fleisch ist. Sie ist keine Regierungspartei. Ihre Führung hätte sie aber gerne als solche. Sie ist keine richtige Bewegungspartei mehr. Aber es gibt viele Mitglieder an der Basis, die diesen Anspruch hätten.
Wie lange macht die Parteibasis das noch mit?
Das ist die Frage. Viele an der Basis fordern Solidarität mit Palästina ein. Die Frage ist aber auch, wie konsequent das sein wird und mit welcher theoretischen Tiefe. Was ist Israel für ein Staat? Wie ist er entstanden? Wie hängt das zusammen mit den imperialistischen Interessen in der öl- und gasreichsten Region der Erde, wo Israel als Wachhund fungiert? Aufgabe einer linken Partei wäre es, das zu vermitteln. Statt dessen versucht die Parteiführung, niemandem auf den Schlips zu treten. Bis es dazu kam, dass sie zur »Zusammen für Gaza«-Demo im September aufgerufen haben, war enormer Druck aus der Bewegung, aus der eigenen Parteibasis nötig. Der Vorstand wurde da förmlich hereingezwungen.
Können sich die palästinasolidarischen Kräfte durchsetzen?
Ich denke nicht, dass sie sich durchsetzen können. Gerade wenn wir auf die Wahl des Abgeordnetenhauses 2026 in Berlin blicken, wird die Palästina-Solidarität mehr und mehr abgestumpft werden. Es kommt selbstverständlich darauf an, was vor Ort in Palästina passiert. Aber jetzt, wo die Bewegung abgeflacht ist, wird der Druck erst mal abnehmen. Und je näher die Regierungsperspektive rückt, desto mehr wird das eingeschränkt werden.
Werden Sie zur Wahl der Linkspartei aufrufen?
Das kommt auf ihre Forderungen an. Ich werde nicht aus persönlicher Beleidigung nicht zur Wahl der Linkspartei aufrufen. Das muss man politisch einschätzen. Wenn sie die Hoffnungen und Forderungen der Menschen unten, der Unterdrückten, der arbeitenden Klasse kanalisiert, kann ich mir vorstellen, zu ihrer Wahl aufzurufen. Aber wir sollten keine Illusionen haben, dass Die Linke in Regierungsverantwortung diese Forderungen dann auch umsetzen würde.
Ramsis Kilani wurde im Zusammenhang mit Aussagen zu Palästina von der Partei Die Linke ausgeschlossen. Das komplette Videogespräch finden Sie auf jungewelt.de
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