»Dann ist sie da, die Barbarei!«
Hören Sie mal, Herr Rebers, da schreibt jemand in der Kommentarspalte einer Videoplattform folgendes zu einem Ihrer Auftritte: »Lieber Andreas Rebers, ich hoffe, Ihnen bleiben Hausdurchsuchung, ausgebrannter Pkw, Drohbriefe und Auftrittsverbot im öffentlich-rechtlichen Rundfunk erspart …« Wissen Sie, was er damit meint?
Die Kommentare, die auf Plattformen wie Youtube oder Instagram geschrieben werden, interessieren mich zum Glück nicht. Ich würde die Frage gern mit einer Gegenfrage beantworten. Könnte es sein, dass der Kapitalismus mit dem Digitalismus die ultimative Waffe kreiert hat, die den Endsieg des Materialismus über den Humanismus besiegeln könnte? Was bleibt von der Diskussion und dem Diskurs, wenn man sich auf die Plattformen des Klassenfeindes begibt? Posen, Follower, ehedem Mitläufer und Fans. Ich finde, Politiker, die Fans und Mitläufer haben, sollten Kabarett oder Comedy machen.
Sie sprachen einmal von der »Barbarei der Zivilisation«. Nun, die hohe Politik gibt sich alle Mühe, die Ausweitung der Kampfzone zu forcieren. Wie friedenstüchtig ist Deutschland noch?
Ich selber fordere seit Jahren die Ausweitung der Kampfzone, da auch der Totalitarismus bunt und divers geworden ist. Ich betrachte den breitbeinigen »Islamismus« als eine weitere Gefahr für den Humanismus, aber da hat man ja in »Der Linken« durchaus undurchdachte Wunschvorstellungen. Man sollte sich einmal damit beschäftigen, dass es im Koran keine Kompromisse gibt. Das ist der Unterschied zur Demokratie. Ihre Frage zielt aber wohl eher in die Richtung der »Kriegstauglichkeit«, die nunmehr in aller Munde ist. Kriegstauglich? Mit wem? Krieg erfordert ja einen gewissen Patriotismus, also dass bei der Nationalhymne mitgesungen und nicht gekotzt wird. Da sehe ich bei den Grünen, vor allem bei den Grünen-Frauen, eine missverstandene Dialektik, die sich nunmehr in einer unterhaltsamen operativen Hektik widerspiegelt. Es war Claudia Roth, die am 15. Oktober 2022 um 15.07 Uhr dem Nachrichtensender N-TV sagte: »Die Grünen waren nie eine pazifistische Partei!« Na also. Wenn es nur an Merz und Pistolero Pistorius läge, hätten wir leichtes Spiel. Aber so geht es ab in den journalistischen Durchlauferhitzer, und der Rest ist Werbung. Erschwerend kommt hinzu, dass die Verlagerung wichtiger politischer Debatten in Social Media unwillkürlich zu einer Delegitimierung derselben führt, weil irgendwann die Menschen sagen: »Diesen Scheiß tu’ ich mir nicht mehr an.« Und dann ist sie da, die Barbarei!
»Ich kenne hundert Möglichkeiten, den russischen Bären aus seiner Höhle zu ziehen, aber keine, um ihn zurückzuziehen«, meinte einst Kanzler Bismarck. Kanzler Merz kennt das Zitat nicht, also: Wo werden wir den nach dem Krieg um 18 Uhr treffen?
Wen meinen Sie? Merz oder den Bären Meister Petz Iwan Iwanowitsch? Letzterer hat übrigens keine Uhr. In einem alten russischen Märchenbuch heißt es: »Iwan Iwanowitsch ritt auf einem grauen Wolf. War’s kurz? War’s lang? Wir wissen es nicht. Schnell ist eine Geschichte erzählt, weniger schnell eine Tat vollbracht!« Der Kapitalismus ist listenreich und kalkulierend. Das Unternehmen Ottobock ist an die Börse gegangen, um Kapital zu generieren, damit die Produktionskapazitäten ausgeweitet werden können. Ottobock stellt Prothesen her, und wenn bei Rheinmetall die Korken knallen, dann wissen die Kulturfolger, was auf sie zukommt. Abgesehen davon finden unsere hochqualifizierten Arbeitskräfte, die man in der zivilen Autobauerei entlässt, neue Perspektiven in der Rüstungsindustrie.
Die Neue Zürcher Zeitung fragte 2003: »Wie wird sich dieser Mann in Zukunft noch steigern können?« 2003, das war das Jahr, als Hartz IV und der Dosenpfand kamen. Was steigert sich eigentlich, der Künstler oder der politische Irrsinn? Etwa beides?
Das walte Gott. Um im Kabarett zu bleiben, möchte ich meinen Freund und Kollegen Alfred Dorfer zitieren: »Es sollte doch immer darum gehen, dass das Erreichte zählt. In der Politik ist es allerdings umgekehrt, das Erzählte reicht!« Mein Publikum versichert mir immer wieder, dass ich ein guter Erzähler bin, und damit habe ich das erreicht, was für mich zählt. Bei unterschiedlicher Meinung bester Laune zu sein, denn damit sind wir unserer Zeit immer ein wenig voraus. Drei Dinge machen die Welt zu einem besseren Ort: denken, lachen und pudern. Alle drei haben etwas mit Kontrollverlust zu tun. Das freie Denken ermöglicht die Offenbarung einer Idee, und eine Idee ist ein Geschenk, und der Beschenkte kann eben nichts dafür, dass er dieses Geschenk bekommt. Das Lachen unterliegt ebenfSalls dem Kontrollverlust, da das Lachen nicht planbar ist. Es passiert einfach. Und bei der Puderei ist es eben der Orgasmus, der einfach über uns kommt. Kontrollverlust. Woher ich das weiß? Von Rosa Luxemburg, Hannah Arendt und Brigitte Bardot.
Andreas Rebers spielt live im Rahmen des Kulturprogramms auf der 31. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz am 10. Januar in den Wilhelm-Studios Berlin, Kopenhagener Str. 60–68. Informationen und Tickets unter: www.jungewelt.de/rlk
Andreas Rebers ist Musiker und Kabarettist, er tourt erfolgreich durch den gesamten deutschsprachigen Raum. Er lebt mit seiner Familie in München.
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