Von Sternen träumen
Von Gisela Sonnenburg
Russlands Landschaften bringen zum Schwärmen. Aber nicht nur die Natur und die Stadtarchitektur begeistern oft, sondern auch die Kunst, die im öffentlichen Raum steht. Längst sind das nicht mehr nur Denkmäler. Und so überwältigend schön die »Mutter Heimat« (1967) von Jewgeni Wutschetitsch in Wolgograd auch ist, die aktuelle neue Kunst hat auch viel Flair. Eine breite Auswahl derer sowie weitere Kunstwerke ausgewählter Künstler zeigt jetzt die Ausstellung »Public Art. Kunst im öffentlichen Raum Russlands« im Russischen Haus in Berlin-Mitte. Vielfalt ist hier kuratorisches Prinzip: Von Pop-art über Fantasy-art bis zur würdigen Nachfolge des Sozialistischen Realismus ist da alles dabei.
In zwei großen Zimmerfluchten erschließt sich eine Welt der Kunst, die sowohl aktuell als auch überzeitlich funktioniert. Kunst ist heutzutage global, und lediglich bestimmte Traditionen oder Auseinandersetzungen mit ihr kennzeichnen die Herkunft.
Da empfängt uns eine Skulptur mit einem großen hängenden, pinkfarbenen Flügel: eine Art Vogelmensch. Offen, naiv und doch rührend melancholisch wirkt er. Der Titel des Werks bestätigt das: »Dänischer Prinz (Hamlet)« stammt von 2017 und wurde von Iwan Gorschkow geschaffen. Dieser Hamlet spiegelt ein Gefühl, das wir alle kennen: Fassungslos steht man vor dem, was Realität ist, und man fühlt sich machtlos, es zu ändern.
Dagegen obsiegt in einem nachts aufgenommenen Foto, das eine große weiße Statue vor Wohnhäusern zeigt, die klassische Schönheit: Eine Ballerina tanzt traumverloren auf einem vasenartigen Gebilde. Die Beleuchtung inmitten der Dunkelheit verleiht ihr zusätzlichen Starimpetus, wie ein Spotlight auf der Bühne.
An den Stil des Pop-art-Künstlers Jeff Koons erinnert hingegen ein rosa Häschen im Einkaufswagen. Konsumkritik könnte man nicht neckischer gestalten. Doch auch Freunde des Eckigen und Kantigen kommen auf ihre Kosten, so mit einer Referenz an den Kubismus von Alexej Luka. Er hat auf einen Holzhocker ein schmales, hochstehendes Gebilde montiert, wie ein Schrankgerüst ohne Seitenflächen. Das ist zwar eher ein Kommentar zur Kunstgeschichte als spontane Ausdruckskunst. Das Werk stößt einen aber auf die Wahrheit, dass unterm Strich vor allem das Wesentliche zählt.
»Als wir von den Sternen träumten« heißt ein Acrylgemälde, das kyrillische Buchstaben auf nachtblauem Grund zeigt. Inmitten der Lettern swingt ein goldenes Sternchen wie von einer Tastatur mit. Das Bild stammt von 2025 und ist unverkennbar eine Absage an jedwede überzogene Hoffnung.
Eine besondere Tradition sind Mosaike an Hauswänden. In der Ausstellung sind prachtvolle zeitgenössische Exemplare zu sehen. Eines zeigt antik anmutende Köpfe von Fußballspielern mit dem munter zwischen ihnen fliegenden Ball. Auch Löwenpfoten, die vom Ischtar-Tor stammen könnten, sind da: in Hellblau auf Dunkelblau gestaltet. Da vermisst man das wegen Sanierung geschlossene Berliner Pergamonmuseum, welches das Löwentor beherbergt, gleich weniger.
Jewgeni Malyschew zeigt dann in zwei großformatigen Schwarzweißgemälden von 2023, wie der moderne Lebensstil mit Sport und Spaß alle anderen Träume zudeckt. Wellen, badende Menschen und kleine Boote kollidieren kunstvoll zu einer Collage.
Rauminstallationen ergänzen die abgebildete Kunst im öffentlichen Raum. Darunter sind eine lebensgroße Figur mit Schirmchen anstelle eines Kopfes sowie ein von zwei Schmetterlingen angeflogener Stuhl mit gleich zwei Lehnen für den intimen Talk. Love is in the air!
»Public Art. Kunst im öffentlichen Raum Russlands«, Russisches Haus, Friedrichstr. 176–179, 10117 Berlin, bis 31. Juli 2026
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