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Aus: Ausgabe vom 29.11.2025, Seite 15 / Geschichte
USA

Nicht mehr nachgeben

Vor 70 Jahren begann Rosa Parks, sich gegen die »Rassentrennung« in den USA zur Wehr zu setzen
Von Jürgen Heiser
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Ließ sich auch von Verhaftungen nicht mehr einschüchtern. Rosa Parks in der Polizeistation Montgomery (22.2.1956)

Der Name Rosa Parks ist über die USA hinaus zum Symbol für die in den 1950er Jahren beginnende Bürgerrechtsbewegung der Afroamerikaner in den USA geworden. Sie wurde am 4. Februar 1913 als Rosa Louise McCauley in Tuskegee im US-Bundesstaat Alabama geboren. Als sich am 24. Oktober 2025 ihr Todestag zum zwanzigsten Mal jährte, gab es zahlreiche Medienberichte, die ihr bewegtes Leben würdigten. Ihre Lebensgeschichte wurde in vielen Filmen und Büchern, darunter auch anrührende Kinderbücher wie »Der Bus von Rosa Parks«, aufgegriffen. Der Bus selbst steht heute in ihrem letzten Wohnort Detroit im Museum.

In diesem Bus nahm der wichtigste Protest der frühen Bürgerrechtsbewegung am 1. Dezember 1955 seinen Ausgang. Die 42jährige Näherin Rosa Parks wollte nach der Arbeit mit dem Linienbus Richtung Cleveland Avenue in Montgomery, Alabama, heimfahren. Wie jeden Tag stieg sie ein, bezahlte und setzte sich auf einen freien Platz am Mittelgang. Für Schwarze in Alabama war es damals verpflichtend, dass sie nur die Sitze im hinteren Teil des Busses nutzen durften, die mit dem Schild »Colored« gekennzeichnet waren. Doch auch diese Plätze mussten sie freimachen, wenn ein Weißer dort sitzen wollte.

Nicht die Erste

Genau dort saß Rosa Parks zusammen mit drei weiteren schwarzen Fahrgästen, als sich der vordere Teil des Busses füllte und daraufhin ein Weißer verlangte, sie solle ihren Sitzplatz freimachen. Als Parks nicht sofort reagierte, forderte auch der weiße Busfahrer James Blake sie auf, aufzustehen. Doch sie reagierte nicht. In ihrer Autobiographie »My Story« erinnerte sie sich später daran, dass sie schlicht keine Lust mehr hatte, »immer nur nachzugeben«. Je mehr man sich einer solchen Behandlung durch Weiße beugte, so Parks, »desto repressiver wurde es«. Busfahrer Blake herrschte sie mit drohendem Ton an, endlich Platz für den weißen Fahrgast zu machen. Als das nicht half, rief er die Polizei, die Parks daraufhin festnahm. Widerständige schwarze Frauen versetzten die Weißen, die sich auch fast 100 Jahre nach dem Ende der Sklaverei immer noch als Herren im Land sahen, besonders in Rage. Parks wurde demonstrativ abgeführt, um ein Exempel zu statuieren.

Rosa Parks war damals keiner spontanen Eingebung gefolgt. Sie wurde sogar später mit den Worten zitiert: »Die einzige Sache, die mich ärgert, ist, dass wir so lange mit dem Protest gewartet haben!« Gemeinsam mit ihrem Mann Raymond hatte sie sich bereits seit langem gegen die Rassendiskriminierung engagiert. Seit über zehn Jahren arbeitete Parks ehrenamtlich für die »National Association for the Advancement of Colored People« (NAACP). Sie gehörte zu den ersten Frauen, die auf Versammlungen gegen die Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung sprachen. Da solche Veranstaltungen in den US-Südstaaten oft verboten wurden, suchten die Frauen und Männer der sich formenden schwarzen Bürgerrechtsbewegung nach Möglichkeiten, mittels direkter Aktionen rassistische Verbote zu brechen.

Rosa Parks war nicht die erste schwarze Frau, die sich weigerte, für Weiße Platz zu machen. Nur wenige kennen den Namen der Jugendlichen, die sich bereits neun Monate vor Parks weigerte, in einem Bus für einen Weißen aufzustehen. Am 2. März 1955 saß die 15jährige Schülerin Claudette Colvin nach Schulschluss mit Klassenkameraden in Montgomery in einem Bus, als sich eine vergleichbare Situation wie später bei Parks ereignete. Der Busfahrer und die Polizei forderten sie auf, ihren Platz freizumachen. »Für eine ältere Person hätte ich es auch getan, aber es handelte sich um eine junge weiße Frau«, erklärte sie nach dem Vorfall, bei dem sie gewaltsam in Handschellen aus dem Bus abgeführt wurde. Warum sie sitzen geblieben war? »Es fühlte sich an, als würden mich Harriet Tubmans Hände auf der einen Schulter und Sojourner Truths Hände auf der anderen Schulter in meinen Sitz drücken«, erklärte sie später. Von diesen Kämpferinnen gegen die Sklaverei des 19. Jahrhunderts fühlte sie sich inspiriert, seit sie im Unterricht durch ihre schwarze Lehrerin von ihnen erfahren hatte.

Colvin wurde in ein Gefängnis für Erwachsene gebracht und erst drei Stunden später wieder freigelassen, nachdem ihre Mutter gemeinsam mit einem Pastor eine Kaution für sie bezahlt hatte. Zu Hause organisierten Nachbarn Wachposten, da Angriffe von Rassisten befürchtet wurden. Claudettes Vater schob die ganze Nacht Wache mit seiner Schrotflinte, für den Fall, dass der Ku-Klux-Klan auftauchen sollte. Später wurde Colvin zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Breiter Boykott

Neun Monate später erging es Rosa Parks ähnlich: Nach ihrer erkennungsdienstlichen Behandlung wurde sie in eine Zelle gesteckt. Doch im Gegensatz zu ihrer jugendlichen Vorkämpferin mobilisierte die NAACP nach ihrer Festnahme die schwarze Bevölkerung der Stadt. Es wurde ein Aufruf gestartet, am 5. Dezember, dem Tag der Gerichtsverhandlung gegen Parks, sämtliche Buslinien zu boykottieren. Am Nachmittag desselben Tages gründeten die Organisatoren des Boykotts die »Montgomery Improvement Association« (MIA), ein Bürgerkomitee zur Verbesserung des Zusammenlebens in der Stadt. Vorsitzender wurde der junge und noch unbekannte Reverend Martin Luther King Jr.

Abends sprach sich King vor 5.000 Menschen in seiner Baptistenkirche gegen die Unterdrückung aus, der Schwarze täglich ausgesetzt waren. Sie hätten davon nun genug, sagte King und erinnerte an die Kämpfe der Arbeiterinnen und Arbeiter, »die überall in diesem Land erkannten, dass sie von kapitalistischer Macht niedergetrampelt wurden«. King formulierte weiterreichende Ziele: »Nun greifen wir nach der Morgendämmerung der Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit!« An jenem 5. Dezember, als Rosa Parks zu einer Geldstrafe von zehn US-Dollar verurteilt wurde, begann eine Massenaktion, die volle 380 Tage andauerte und erst am 20. Dezember 1956 endete. Zuvor hatte das höchste Gericht der USA das Apartheidsystem in Bussen für verfassungswidrig erklärt.

Die Protagonistinnen sind der Sache treu geblieben. Parks gründete 1987 »The Rosa and Raymond Parks Institute for Self Development«, um der Jugend die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung zu vermitteln. Der US-Autor Phillip Hoose veröffentlichte im Jahr 2009 die erste Biographie über Colvin, die einmal sagte: »Wenn ich nicht den ersten Schrei nach Freiheit ausgestoßen hätte, dann hätte es keine Rosa Parks gegeben, und ohne Rosa Parks hätte es keinen Dr. King gegeben.«

Verfassungswidrige Apartheid

Die NAACP-Leitung hielt Rosa Parks für eine sympathische Identifikationsfigur für eine Kampagne gegen die Rassentrennung in Bussen. Claudette Colvin hingegen galt als »emotionale Teenagerin« und somit als wenig geeignet, »Erwachsene zu mobilisieren«. Zwei Monate nach Beginn des Busboykotts reichte die NAACP eine Zivilklage auf Bundesebene ein. Klägerinnen waren Aurelia Browder, Susie McDonald, Mary Louise Smith und Jeanetta Reese, die selbst rassistische Diskriminierung in Bussen erfahren hatten. Colvin sagte als Zeugin aus. Am 4. Juni 1956 entschied das US-Bundesbezirksgericht, dass die Beförderungsregeln in Montgomery einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des 14. Zusatzartikels zur US-Verfassung darstellten, und verwies den Fall an den Obersten Gerichtshof der USA. Dieser entschied am 13. November 1956, dass die Rassentrennung in Bussen verfassungswidrig sei. Der Boykott dauerte noch einen weiteren Monat an, bis die Stadt Montgomery die Anordnung umsetzte und den Fahrgästen die freie Platzwahl erlaubte. Am 21. Dezember 1956 bestiegen Martin Luther King Jr. und weitere Bürgerrechtler demonstrativ den ersten Bus der Stadt »ohne Rassentrennung«. Daraufhin schossen weiße Rassisten auf Busse, lynchten Schwarze und griffen ihre Kirchen an.

Aus: »The African American Civil Rights Movement« des History Club von Studierenden der University of Massachusetts, http://www.african-american-civil-rights.org/

Übersetzung: Jürgen Heiser

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