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Aus: Ausgabe vom 29.11.2025, Seite 8 / Kapital & Arbeit
Staatshaushalt Japans

Konjunkturspritze mit Nebenwirkungen

Japanische Premierministerin plant ein Investitionspaket in Rekordhöhe. Kritiker sehen vor allem Wahlkampfmanöver mit wenig praktischer Wirkung
Von Igor Kusar
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Takaichi führt den Kurs Abe Shinzos fort, hofft aber auf andere Ergebnisse (Gyeongju, 1.11.2025)

Japans neue Regierungschefin Takaichi Sanae denkt in großen Dimensionen. Ihren Wahlkampf führte sie unter dem Slogan »Ein starkes Japan« – soll vor allem heißen: eine starke Wirtschaft. US-Präsident Donald Trump versprach sie rapide steigende Militärausgaben. Gegenüber China gibt sie sich unnachgiebig und brach jüngst einen Streit um die Taiwanfrage vom Zaun. Ihre Popularitätswerte schossen nach oben, und deshalb soll es in diesem Stil weitergehen: angedacht sind riesige neue Budgetanträge und ebenso riesige Konjunkturspritzen.

Takaichis Kabinett beschloss am Freitag einen Nachtragshaushalt von umgerechnet fast 100 Milliarden Euro. Das Geld soll zur Finanzierung eines Konjunkturpakets in Höhe von umgerechnet rund 120 Milliarden Euro dienen. Damit will sie die kränkelnde Wirtschaft ankurbeln, die unter hohen Lebenshaltungskosten leidende Bevölkerung entlasten und die Streitkräfte aufrüsten. Ihre Kritiker in Tokio sind sich derweil einig: Die Regierungschefin will vor allem Wahlkampf betreiben. Bei anhaltend guten Unterstützungsraten könnte sie riskieren, das Unterhaus vorzeitig aufzulösen. Es wird erwartet, dass der Nachtragshaushalt noch in diesem Jahr vom Parlament abgesegnet wird.

Takaichis Liberaldemokratische Partei (LDP) hat in den vergangenen Jahren kein Rezept gegen die auch in Japan rapide steigenden Preise und sinkenden Reallöhne finden können. Das Ausbleiben von diesbezüglichen Erfolgen hatte der LDP bei den Oberhauswahlen im vergangenen Sommer eine krachende Niederlage beschert. Der Vorschlag der Oppositionsparteien, die Konsumsteuer zu senken oder ganz aufzuheben, um dadurch die Kaufkraft zu stärken und mehr Steuergerechtigkeit zu schaffen, ist für viele Japaner attraktiv.

Takaichi steht mit ihrem Wirtschaftsprogramm deshalb unter enormem Druck. Doch die von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen – etwa die Senkung der Benzinsteuer oder die Zuschüsse für Strom- und Gasrechnungen in den Wintermonaten – werden an den hohen Preisen nicht viel ändern. Dazu bräuchte es weitergehende Schritte. Deren Umsetzung scheitert wiederum am Widerstand des Finanzministeriums. Durch Slogans wie »starke Wirtschaft« und die schiere Größe des Konjunkturpakets will Takaichi von dessen Unzulänglichkeit ablenken.

Statt einer Verbesserung der Lebensverhältnisse ist vielmehr das Gegenteil zu erwarten: Durch die zusätzliche Aufnahme von Schulden zur Finanzierung der Konjunkturspritze steht eine weitere Verschlechterung der Staatsfinanzen an. Die Staatsverschuldung beträgt derzeit umgerechnet rund acht Billionen Euro. Das ist mehr als das Zweifache des jährlichen Bruttoinlandsproduktes. Das Misstrauen gegenüber Japans Finanzmärkten und der daraus resultierende Verfall der Landeswährung Yen haben sich vergangene Woche weiter verstärkt. Das treibt wiederum die Importpreise und dadurch die Lebenshaltungskosten nach oben. Einzige mögliche Gegensteuermaßnahme wäre eine Anhebung der Leitzinsen durch die Zentralbank Bank of Japan (BOJ). Doch die zögert – Takaichi will von einer Erhöhung nichts wissen und übt politischen Druck aus. Außerdem hatte die Zehn-Jahres-Rendite auf japanische Staatsanleihen vergangene Woche ein 17-Jahres-Hoch von 1,84 Prozent erreicht, womit im Umkehrschluss die Zinsen fielen – mit negativen Folgen für japanische Banken, die die Anleihen halten. Das erschwert es der BOJ noch weiter, Zinsen anzuheben.

Vom schwachen Yen und vom Konjunkturpaket, das Investitionen in Bereiche wie den Schiffbau und künstliche Intelligenz vorsieht, profitieren vor allem die großen Exporteure. Viele von ihnen schwimmen schon jetzt im Geld – die zurückgehaltenen Gewinne sollen sich auf umgerechnet gut drei Billionen Euro belaufen. Nur ein geringer Teil geht an kleinere Firmen. Dabei sind die es, die die höheren Kosten nicht vollständig an die Kunden weitergeben können. In der Folge stagnieren die Löhne.

Takaichi folgt mit ihrer fiskalischen Ausrichtung der ihres politischen Ziehvaters Abe Shinzo, bei der nur die Reichen und die Großunternehmen abkassierten und die Bevölkerung mit Brosamen abgespeist wurde. Abe setzte alles daran, die jahrelange Deflation zu überwinden. Von der seit 2021 anhaltenden Inflation haben die meisten Japaner bisher allerdings nichts.

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