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Aus: Ausgabe vom 19.11.2025, Seite 8 / Kapital & Arbeit
Kürzungspolitik unter Meloni

Italiens Bevölkerung verarmt

Reiche kassieren Dividenden, aber Millionen Menschen ohne ausreichend Mittel
Von Gerhard Feldbauer
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Wohnungslosigkeit wird in Italien zunehmend zum Problem, auch in reichen Städten wie Mailand

Zwei Nachrichten, wie sie gegensätzlicher nicht sein konnten, zeugten am Wochenende von der wachsende Kluft zwischen Armen und Reichen in Italien. Zunächst die Jubelmeldung für die Vermögenden: Wie das Wirtschaftsblatt Il Sole 24 Ore berichtete, haben neben den Energiekonzernen ENI und Enel vor allem die Banken – die beiden größten sind Intesa Sanpaolo und Unicredit – Milliarden Dollar an Gewinnen gescheffelt. ENI und Enel schütten umgerechnet vier Milliarden an Dividenden an ihre Aktionäre aus. Zu den zehn führenden Unternehmen im nationalen Ranking gehören auch Generali, Poste Italiane, Monte dei Paschi, Ferrari und der Rüstungskonzern Leonardo, die alle im Vergleich zu den Zahlungen vor zwölf Monaten zweistellige Zuwachsraten verzeichnen. Geldströme flossen zu den großen Banken-, Energie- und Rüstungskonzernen – drei Branchen, die ihre Gewinne in diesem Jahr dramatisch gesteigert haben. Das wirkt sich auch auf die Bonität des Landes aus. Mitte September freute sich Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni über die Heraufstufung der Kreditwürdigkeit ihres Landes durch die Ratingagentur Fitch. Das sei ein »klares Zeichen des Vertrauens« und »eine Bestätigung dafür, dass der von unserer Regierung eingeschlagene Weg der richtige ist«, erklärte Meloni.

Die Kehrseite: Löhne und Renten werden sowohl durch Unternehmensentscheidungen und Verhandlungen mit Gewerkschaften als auch durch die Finanzpolitik der Regierung niedrig gehalten. Ein Bericht der Caritas Italia, der an der Universität Roma Tre vorgestellt wurde, zeichnet, wie die Gewerkschaft CGI auf ihrer Onlineplattform Collettiva am 16. November erklärte, »ein klares Bild der Armut, die Italien plagt, die durch stagnierende Löhne, polarisierte Vermögensverteilung und ein Wirtschaftssystem, das in den letzten 30 Jahren die Schwächsten nicht ausreichend geschützt hat, geprägt wird. Nach Erhebungen des Statistikamtes (ISTAT) sind heute 9,8 Prozent der Italiener und darunter über zwei Millionen Familien von Armut betroffen. Das ist ein Anstieg um 43 Prozent innerhalb von zehn Jahren«, so Collettiva. Dagegen habe sich das Vermögen der Reichsten seit den 1990er Jahren mehr als verdoppelt.

Die Caritas informierte, dass ihre Beratungsstellen allein 2024 fast 280.000 Familien unterstützten. Viele von ihnen erlebten Notlagen. Jede zweite Familie sei von mindestens zwei miteinander verknüpften Problemen betroffen, oft sogar von drei oder mehr. Armut manifestiert sich als ein Konglomerat, der Einkommensmangel, soziale Isolation, Wohnungsprobleme, schlechte Gesundheit und zerrüttete Beziehungen verbindet. Familien mit niedrigem Einkommen müssen fast neun Prozent ihrer Ausgaben für Energie und Gas aufbringen, im Vergleich zu wohlhabenden Haushalten, wo es nur drei Prozent sind.

Deutlich zugenommen habe laut Caritas auch die Gewalt gegen Frauen. Wirtschaftliche, häusliche und partnerschaftliche Gewalt erweise sich in Gesprächen mit Caritas-Beschäftigten als ein Komplex aus finanzieller Abhängigkeit, Arbeitsplatzunsicherheit, Wohnungsnot und Schwierigkeiten, einen Ausweg zu finden. Minderjährige sind besonders stark betroffen.

Der vorgelegte Staatshaushalt für 2026, der hauptsächlich auf Aufrüstung ausgerichtet ist, wird die Situation weiter verschlechtern, da er obendrein der von Brüssel verordneten Kürzungspolitik folgt und den arbeitenden Menschen weitere Soziallasten aufbürdet. Die geringe Besteuerung von Einkommen und Gewinnen der Reichen nannte CGIL-Generalsekretär Maurizio Landini hingegen »unerträglich« und forderte, einen Solidaritätsbeitrag von den Superreichen zu verlangen. Unnötig zu erwähnen, dass den die Regierung ablehnt.

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