Die Leiden der Jungen Union
Von Arnold Schölzel
Ganz geschlagen gaben sich die »Jungen« in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am Dienstag noch nicht, bemühten sich aber um geordneten Rückzug. Ihr Chef Pascal Reddig schlug im Stern eine Verschiebung der Rentengesetze vor, die nach bisherigem Plan Anfang Dezember im Bundestag verabschiedet werden sollen: »Für uns ist sehr klar, dass wir den Entwurf in dieser Form nicht beschließen ohne Reformen.« Er bekommt seine andere Form. Kanzler Friedrich Merz machte beim Antrittsbesuch in Sachsen-Anhalt in Halle (Saale) am selben Tag klar: »Ich gehe davon aus, dass wir das Rentenpaket – zu dem ja nicht nur die sogenannte Haltelinie der gesetzlichen Rentenversicherung zählt –, dass wir das gesamte Paket, so wie wir es in der Koalition geplant haben, auch noch in diesem Jahr verabschieden werden.« Und: Man führe im Augenblick »natürlich« Gespräche in der Koalition. Reddigs »Reformreform«-Wünsche dürften erfüllt werden. Unions-Fraktionschef Jens Spahn teilte auf N-TV den Merzschen Optimismus. Da aber niemand weiß, ob Merz einen innenpolitischen Kurs durchhält, warnte Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) die 18 Abgeordneten der »Jungen Gruppe« davor, eine Regierungskrise auszulösen.
Die werden sich hüten. Sie haben zwar eine Sperrminorität und stachen am Dienstag an die Medien durch, dass ihnen bis zu 50 CDU/CSU-Abgeordnete folgen, aber die nun geforderte Verschiebung ist keine Ablehnung. Ihre Beschwerde entzündet sich zudem an einem Passus, wonach das Rentenniveau nach 2032 nicht abgesenkt werden soll. In den Jahren bis dahin will aber Merz den Krieg gegen Russland gewonnen und rund eine Billion Euro für Rüstung ausgegeben haben. Rentenkosten sind da Randfragen. Zumal die »Jungen« selbst vorgerechnet haben: Rund 120 Milliarden Euro werde das Beibehalten des Rentenniveaus nach 2032 kosten – im Vergleich zu den geplanten Militärausgaben so gut wie nichts. Aber selbstverständlich soll bei Sozialleistungen abgezwackt werden. Also hatte Merz bereits am Sonntag angeboten, dass parallel zum Gesetzentwurf eine Erklärung verabschiedet wird, in der die Absicht einer grundsätzlichen Rentenreform verkündet werden soll. Die Rentenkommission soll schon vor der Sommerpause 2026 ihre Vorschläge vorlegen.
Reddig knurrte zwar: »Wir sehen an dem Gesetzentwurf noch Änderungsbedarf und halten das Gesetz im Moment nicht für zustimmungsfähig.« Heißt aber auch: Es kommen ja andere Momente. Also: »Ich halte wenig von der Drohkulisse, dass die Koalition platzen könnte.« So wird eine Rebellion abgeblasen.
Bas warnte dennoch bei einer Veranstaltung der Süddeutschen Zeitung in Berlin, die Rentengesetze, zu denen auch die Ausweitung der Mütterrente auf Wunsch der CSU gehört, im Bundestag zu blockieren: »Dann wird es unruhig werden.« Die SPD, ächzte sie, trage bei der »Reform«, also Kürzung des Bürgergeldes, auch Beschlüsse mit, die für sie schwer seien. Die »Junge Gruppe« führe einen Popanz auf, der »echt überzogen« sei.
Alles eine Stilfrage, meinte auch der Chef des CDU-»Arbeitnehmer«-Flügels Dennis Radtke in der Süddeutschen Zeitung. Er bemäkelte die »Fettnapfquote« von Union und Regierung, zählte »Stadtbild«-Aufregung, Medikamentenverweigerung für Ältere und die Neigung des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer zum russischen Gas auf und schloss daraus: »Aktuell wirkt jeder Hühnerhaufen im Vergleich wie ein strukturiertes Gebilde mit klarem Kompass.« Den hat Merz aber: Krieg muss sein. Am Dienstagabend wollte er mit Emmanuel Macron und Keir Starmer in Berlin beraten, mehr Milliarden Euro ins Kiewer Korruptionsloch zu werfen.
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