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Aus: Ausgabe vom 13.11.2025, Seite 1 / Ansichten
Geschichtspolitik

Fürs Vergessen

Neues Konzept für Gedenkstätten
Von Arnold Schölzel
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In der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück (2.2.2024, Fürstenberg/Havel)

Kriegstüchtigkeit setzt Gedächtnisverlust und Geschichtsfälschung voraus. Das am Mittwoch vom Kabinett verabschiedete neue Gedenkstättenkonzept des Bundes hält sich an diese Vorgabe. Die Verfasser beim Staatsminister für Kultur und Medien Wolfram Weimer haben 49 Seiten abgeliefert und verzichten immerhin auf Kampfvokabeln. Der Text enthält vor allem eine lustlos-bürokratische Aufzählung jener Orte, an denen faschistischer Verbrechen und des »SED-Unrechts« gedacht wird. Erinnerung an deutsche Kolonialverbrechen hat Weimer aus dem Entwurf seiner Amtsvorgängerin Claudia Roth herausgenommen und dazu etwas Eigenes angekündigt. Das Konzept, das die Bausubstanz der Gedenkorte zu erhalten verspricht und den Verlust an Zeitzeugen durch Digitales ersetzen will, ist vor allem eine Beschäftigungsgarantie für alle, die einer staatskonformen Geschichtspolitik folgen. Die besteht seit dem Anschluss 1990 vor allem darin, Nazidiktatur und DDR mehr oder weniger grobschlächtig gleichzusetzen. In Zeiten der fast bedingungslosen Unterstützung für die Clique in Kiew und der Mobilmachung gegen das nach NATO-Kriterien kommunistisch verseuchte Russland ist das nötiger als in den ersten 30 Jahren der vergrößerten Bundesrepublik.

Im neuen Gedenkstättenkonzept findet sich so als praktisch einzige konzeptionelle Idee die dem verstorbenen Historiker Bernd Faulenbach zugeschriebene Formel: »Weder dürfen die nationalsozialistischen Verbrechen relativiert oder gar geleugnet, noch darf das von der SED-Diktatur verübte Unrecht bagatellisiert werden.« Da versteht es sich, dass zum Beispiel die Machtübergabe an die Nazis durch einen Bürgerblock 1933 oder der Plan, nach dem Überfall auf die UdSSR schnellstens 30 Millionen Sowjetbürger umzubringen, im Weimer-Papier keine Rolle spielen. Beim Thema Faschismus wird in der offiziellen BRD seit jeher vom Kapitalismus geschwiegen. Der Rest, das Herumtrampeln auf dem Staat, der Revanchekrieg und Faschismus 40 Jahre lang verhinderte, ergibt sich da von selbst. Ein Konzept fürs Vergessen.

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