Kältetod einkalkuliert
Von Arnold Schölzel
Die USA werden 2026 erstmals mehr als eine Billion US-Dollar für Kriege und Rüstung zum Fenster hinauswerfen, die Bundesregierung eifert nach. Beim UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR geht es um vergleichsweise kleine Summen, aber die hat es nach Streichungen durch große Geber wie USA und BRD nicht mehr. Es warnte daher am Dienstag vor einem katastrophalen Winter für Millionen Menschen auf der Nordhalbkugel. In der Ukraine, in Syrien und Afghanistan müssten Familien »eisige Temperaturen« ohne Hilfsmittel ertragen, erklärte die Beauftragte für auswärtige Beziehungen des UNHCR, Dominique Hyde, in Genf und fügte hinzu: »Die Budgets für humanitäre Hilfe sind bis zum Äußersten ausgeschöpft, und die Winterhilfe, die wir anbieten können, wird in diesem Jahr deutlich geringer ausfallen.« Für die Ukraine erwartet das UNHCR Temperaturen von unter minus 20 Grad, sieht aber auch große Gefahren für die rund eine Million Rückkehrer nach Syrien. Durch die Kürzungen müssten dort etwa 750.000 Menschen ohne »lebenswichtige Unterstützung« auskommen. Nach Afghanistan seien mehr als 2,2 Millionen Menschen in diesem Jahr aus Pakistan und dem Iran zurückgekehrt. Die UN-Organisation startete daher am Dienstag eine weltweite Kampagne für Winterhilfe, die mindestens 35 Millionen US-Dollar (umgerechnet etwa 30,3 Millionen Euro) einbringen soll.
Nach UN-Angaben gibt es auf der Welt 300 Millionen Menschen, die auf elementare Hilfe angewiesen sind. Von ihnen erhalten nur etwa 114 Millionen Hilfe, das UNHCR betreut rund 36 Millionen Bedürftige. Es wurde insbesondere von den Kürzungen der US-Auslandshilfen durch US-Präsident Donald Trump schwer getroffen. Die USA hatten zuvor als wichtigster Geldgeber des UNHCR 40 Prozent der Mittel gestellt. Aber auch weitere wichtige Geberstaaten wie die Bundesrepublik haben ihre Unterstützung zurückgefahren. Laut einem Bericht der Taz vom 7. Oktober war Deutschland 2024 mit 332 Millionen US-Dollar 2024 noch der weltweit zweitgrößte Geber, die neue Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD kürzte aber entgegen der eigenen Ankündigung die Mittel um mehr als die Hälfte auf 150 Millionen Dollar. Das UNHCR hatte für das laufende Jahr einen Finanzbedarf von rund elf Milliarden US-Dollar angemeldet, hofft nun aber auf lediglich vier Milliarden. Es befürchtet, zukünftig nur noch Kapazitäten für etwa 25 Millionen Menschen zu haben. Gegenwärtig unterhält es knapp 400 Lager in 42 Ländern, musste die Zahl seiner Mitarbeiter aber bereits von 20.000 auf 12.000 reduzieren.
Die Kürzungen der Bundesregierung stoßen bei Fachleuten auf Protest. Am Montag demonstrierten Vertreter von 16 deutschen Hilfsorganisationen wie Welthungerhilfe, Brot für die Welt, Caritas international, Diakonie-Katastrophenhilfe, Misereor und Terre des Hommes vor dem Bundestag in Berlin gegen die Kürzungen für humanitäre Hilfe im Bundeshaushalt 2026. Er soll in dieser Woche in die abschließenden parlamentarischen Beratungen gehen. Sie wiesen in einer Erklärung darauf hin, dass der Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zwischen 2022 und 2025 von 13,8 auf 10,3 Milliarden Euro gesunken ist. Für 2026 werde über 9,94 Milliarden verhandelt. Die Mittel für humanitäre Hilfe des Auswärtigen Amtes wurden für 2025 um mehr als 50 Prozent gekürzt, von 2,49 auf 1,05 Milliarden Euro. Das solle beibehalten werden. Sie fordern dagegen 2,5 Milliarden Euro für solche Hilfe und 11,2 Milliarden Euro für das BMZ, dem Stand von 2024. Das Motto ihrer Aktion: »Die Kürzungen von heute sind die Krisen von morgen!«
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