Serbien tief gespalten
Von Slavko Stilinović
Auch ein Jahr nach dem Einsturz des frisch renovierten Vordachs am Hauptbahnhof von Novi Sad am 1. November 2024, bei dem 16 Menschen zu Tode kamen, ebben die Demonstrationen in Serbien nicht ab. Nach einer Großkundgebung am Jahrestag der Katastrophe hat der am Sonntag begonnene Hungerstreik von Dijana Hrka, deren Sohn zu den Todesopfern zählt, vor dem Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Belgrad eine weitere Welle von Protesten entfacht, bei der sich Opposition und Regierungsanhänger gegenüberstehen. Die Polizei positionierte sich zwischen den beiden Lagern, jedoch mit ihren Schilden in Richtung der regierungskritischen Demonstranten.
Hrka spricht von Wortbruch. Sie habe vom Vorsitzenden der Serbischen Fortschrittspartei (SNS) und ehemaligen Premierminister Miloš Vučević das Versprechen erhalten, dass alle Verantwortlichen für das Unglück juristisch verfolgt würden. »Ein Jahr ist vergangen. Sie können ihm also ausrichten, dass er lügt«, erklärte sie. Ihrem leisen Hungerstreik steht eine laute Gegenveranstaltung im sogenannten Ćaciland gegenüber, einem abgesperrten Bereich in der Nähe der Volksvertretung. »Ćaci« ist eine spöttische Bezeichnung für regierungstreue Gegendemonstranten, die sich als Studenten ausgeben, um sich den ursprünglich vor allem von Studenten initiierten Protesten entgegenzustellen.
Mit polizeilicher Absicherung singen die Regierungstreuen patriotische Lieder und führen Volkstänze auf, auch Pyrotechnik wird gezündet. Zugleich kommt es immer wieder zu Provokationen und Übergriffen. In der Nacht zu Montag wurden 37 Personen verhaftet, darunter der ehemalige Basketballspieler Vladimir Štimac, dem »Aufruf zum Umsturz« vorgeworfen wird. In regierungsnahen Medien traten Präsident Aleksandar Vučić, seine Beraterin Suzana Vasiljević und Gesundheitsminister Zlatibor Lončar auf, die die oppositionellen Gedenkveranstaltungen herunterspielten und die Unterstützer Hrkas als Feiglinge bezeichneten. Die Gräben zwischen beiden Lagern werden immer tiefer.
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