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Aus: Ausgabe vom 06.11.2025, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Aus einer untergegangenen Epoche

Ein Wintertag im New York des Jahres 1974: Ira Sachs’ Künstlerfilm »Peter Hujar’s Day«
Von Wolfgang Nierlin
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Rebecca Hall und Ben Whishaw als Linda Rosenkrantz und Peter Hujar

Am 19. Dezember 1974 trifft sich die Schriftstellerin Linda Rosenkrantz in ihrer Wohnung zu einem Interview mit dem Fotografen Peter Hujar, damals eine der zentralen Figuren der New Yorker Künstlerszene. Dieser soll für ein geplantes Buch, zu dem es dann allerdings erst sehr viel später kommen wird, über sein alltägliches Leben Auskunft geben, indem er detailliert von seinen Aktivitäten am Vortag erzählt. Erinnerte und vergehende, vermeintlich verschwendete und erfüllte Zeit spielen in »Peter Hujar’s Day«, Ira Sachs’ kunstvollem filmischen Reenactment dieser Begegnung, eine wesentliche Rolle. Im kammerspielartigen Setting des Films, der durch Beleuchtung, Farbgebung und Interieur eine große Wärme und Vertrautheit ausstrahlt, gewinnt die minutiöse Schilderung eines scheinbar banalen Alltags eine überraschende Tiefe. Denn in der Rekapitulation gewöhnlicher Abläufe, von Telefonaten, Begegnungen und Arbeitsphasen, entsteht nicht nur das Bild einer prekären Künstlerexistenz und prinzipieller existentieller Fragilität, sondern auch der starke Eindruck einer untergegangenen Epoche.

In dieser so sinnlichen Ära war das Leben vor allem analog. Ira Sachs trägt dem Rechnung, indem er das nachgestellte Gespräch zwischen Linda Rosenkrantz (Rebecca Hall) und dem Kettenraucher Peter Hujar (Ben ­Whishaw) auf körnigem 16mm-Material aufgenommen hat und außerdem seine Inszenierung durch die Drehsituation mit Filmklappe und Tonarm sichtbar macht. Und natürlich fungiert als analoger Ausweis ein altes Tonbandgerät, das neben dem dokumentarischen Spiel auch die Umgebungsgeräusche der Wohnung aufzeichnet. Dieses mediale Setting, das in der Montage durch häufige Szenen- und Ortswechsel dynamisiert und in einen Zeitfluss versetzt wird, bewirkt zugleich eine starke Nähe beziehungsweise Verschränkung zwischen der Inszenierung und dem historischen Material. Die intime Atmosphäre zwischen den beiden Protagonisten, aufgelockert durch eine bezaubernde Tanzeinlage und auf bewegende Weise mit sakraler Musik vertieft, wird schließlich noch durch das quadratische Bildformat verstärkt.

Peter Hujar erzählt unter anderem, wie er vom Telefon geweckt wird, wie die französische Elle-Journalistin Jacqueline De Mornay Fotos bei ihm abholt, die er von dem Model Lauren Hutton gemacht hat, und wie er sich schließlich zu einem Fotoshooting für die Times mit dem Schriftsteller Allen Ginsberg trifft. Aber die Begegnung zwischen den beiden homosexuellen Künstlern verläuft für Hujar enttäuschend kalt. Ginsberg gibt sich schwierig und abweisend, will sich zunächst nicht auf ein Porträt einlassen und lässt sich dann absichtlich vor einem besonders kaputten Hintergrund fotografieren. Hujar erweist sich nicht nur an dieser Stelle als genauer Beobachter.

Im weiteren Verlauf seines Tages wimmelt er mit Notlügen Anrufer ab und trifft sich mit einem Freund zum Essen. Schließlich erzählt er, wie er bis spät in die Nacht in der Dunkelkammer arbeitet und dabei mit Zweifeln bezüglich seiner Kunst ringt. Linda Rosenkrantz hört ihm aufmerksam und mitfühlend zu und wirkt, obwohl sie selbst wenig sagt, sehr präsent. Einmal bemerkt Hujar, man brauche viel Zeit für die Betrachtung der Bilder, um diese kennenzulernen. Auch Ira Sachs’ berührend schöner Film steckt voller visueller Poesie, deren Entdeckung unbedingt lohnenswert ist.

»Peter Hujar’s Day«, Regie: ­Ira Sachs, USA/BRD u.a. 2025, 76 Min., Kinostart: heute

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