Außenminister als »Kommunikationsrisiko«
Von Philip Tassev
Während der Streit um die Wehrpflicht Risse zwischen den Regierungsparteien Union und SPD offenlegte, tun sich inzwischen auch innerhalb des konservativen Lagers Gräben auf, wie die jüngste Debatte um Aussagen von Johann Wadephul (CDU) deutlich zeigt. Der Außenminister hatte in der vergangenen Woche bei einem Besuch in der syrischen Hauptstadt Damaskus geurteilt, aufgrund der großflächigen Zerstörung in Syrien sei eine Rückkehr von Geflüchteten zur Zeit »nur sehr eingeschränkt möglich« und ein menschenwürdiges Leben in dem verheerten Land »kaum« möglich. Schon diese Feststellung löste in Teilen seiner Partei Empörung aus. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz schaltete sich daraufhin ein. Am Montag abend sagte er, dass »der Bürgerkrieg in Syrien« beendet sei, weshalb es »nun keinerlei Gründe mehr für Asyl in Deutschland« gebe. Jene, die sich weigern würden, freiwillig zurückzukehren, könnten »selbstverständlich« abgeschoben werden.
Wadephul bekräftigte aber Teilnehmern zufolge seine Einschätzung am Dienstag in der Sitzung seiner Fraktion. An jene Parteikollegen gerichtet, die – wie Baden-Württembergs CDU-Chef Manuel Hagel – meinten, die Deutschen hätten ihr zerbombtes Land ja auch wieder aufgebaut, sagte der Außenminister, es sehe in Syrien »schlimmer« aus als »Deutschland 1945«. Wie Bild berichtete, warf Jens Spahn, Vorsitzender der Fraktion, Wadephul daraufhin zumindest indirekt vor, das »Erscheinungsbild« der Koalition zu beschädigen.
Am Mittwoch hieß es nun, Merz habe sich in der Syrien-Diskussion hinter seinen Außenminister gestellt. Regierungssprecher Stefan Kornelius sagte in Berlin, »selbstverständlich« stehe »der Bundeskanzler hinter dem Außenminister«. Er nannte es eine »seltsame Wahrnehmung«, dass es bei der Sitzung der Unionsfraktion Kritik an Wadephul gegeben habe. Er habe selbst an dem Treffen teilgenommen.
Dessen ungeachtet forderten Vertreter der Jungen Union (JU) am Mittwoch mehr »außenpolitische Führung« des Kanzlers. »Das Auswärtige Amt wird zunehmend zum Kommunikationsrisiko«, sagte der hessische JU-Vorsitzende Lukas Brandscheid zu Focus. Der Außenminister habe »mit seinen geschichtsvergessenen und politisch unbedachten Aussagen erneut bewiesen, dass ihm das notwendige Maß an politischem Gesamtverständnis fehlt«. Die Forderung nach einem Rücktritt ist kaum zu überhören.
Die Regierungsparteien wissen, dass sie sich angesichts von Wirtschaftskrise und erstarkender AfD keinen weiteren internen Streit leisten können. Man kann es wohl nur der Verzweiflung zuschreiben, dass sie am Montag eine PR-Kampagne mit dem Namen »Das kann Deutschland« gestartet hat, um zu versuchen, die schlechte Lage hierzulande zu kaschieren.
Der Glaube an die eigene Propaganda scheint sich allerdings in Grenzen zu halten. Spahn, der erst kürzlich vor den »brutalen« Umfragewerten der »schwarz-roten« Koalition gewarnt hatte, soll am Montag bei der Fraktionssitzung in Richtung SPD gesagt haben: »Wir gewinnen gemeinsam, oder wir verlieren gemeinsam«, um dann hinzuzufügen: »Aber wir werden nicht gemeinsam sterben mit denen.«
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (6. November 2025 um 09:20 Uhr)Außenminister Wadephul ist gewiss kein Weichei, sondern ein ordentlicher Hardliner. Dass sogar solche wie er in der CDU jetzt unter Beschuss geraten, wenn sie über das sprechen, was sie mit eigenen Augen gesehen haben, spricht Bände. Bände über die Angst in dieser Partei, von den Zuständen verschlungen zu werden, auf die sie zielgerichtet über Jahrzehnte hingearbeitet hat. Gründe für diese Ängste gibt es genug. Allerdings nicht nur für die CDU. Denn die Gefahr ist groß, dass auch unser Land kaum unbeschadet aus der Situation herauskommen wird, in die uns die Herrschenden aller Couleur absichtlich geführt haben.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (5. November 2025 um 22:25 Uhr)Ob ein NVIDIA-Chip-Implantat den IQ des einen oder anderen C-Politikers vervielfachen würde? Der hessische JU-Vorsitzende dürfte als Prototyp bestens geeignet sein: Verträgt er’s, ist es gut für ihn, verträgt er’s nicht, dann ist er hin. Donald Musk lässt grüßen! Im Gegensatz zu seiner Vorgängerin hat Wadephul noch lichte Momente.
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