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Aus: Ausgabe vom 06.11.2025, Seite 4 / Inland
Neoliberales Programm

»Entlastung« beim Arbeitsschutz

»Entlastungskabinett«: Regierung erfüllt Forderungen von Unternehmerverbänden. Kritik vom Beamtenbund
Von Kristian Stemmler
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Mit Tempo vorbei: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Berlin (3.6.2025)

Die Regierungskoalition ist offensichtlich in einer Krise. Aber wenn nichts geht, lässt sich immer noch mit den neoliberalen Klassikern »Bürokratieabbau« und »Entlastung der Wirtschaft« etwas frischer Wind machen, scheint man im Berliner Regierungsviertel zu denken. Am Mittwoch widmete die Bundesregierung eine ganze Sitzung diesen immergrünen Parolen – ein »Entlastungskabinett« mit lauter Vorhaben zur »Entbürokratisierung«. Das Kabinett verabschiedete dazu acht Entwürfe aus verschiedenen Ministerien. Auf den Weg gebracht wurden nach Regierungsangaben fertige Gesetzentwürfe unter anderem im Bereich Immobilien, Wohnen und Straßenverkehr. Diese sollen mindestens 100 Millionen Euro an »Entlastung« bringen, weil dadurch Beteiligten weniger Aufwand entstehe oder Prozesse vereinfacht würden.

Gestrichen werden soll zum Beispiel die Pflicht zur regelmäßigen Weiterbildung von Wohnimmobilienverwaltern und Maklern – für wen das eine gute Nachricht sein soll, ist einigermaßen unklar. Immobilienkaufverträge, von denen im Jahr nach amtlichen Zahlen über eine Million beurkundet werden, sollen künftig komplett digital abgewickelt und zwischen Notaren, Gerichten und Behörden elektronisch ausgetauscht werden können. Abgeschafft wird auch das sogenannte Heizungslabel, das Schornsteinfeger seit einiger Zeit an alte Heizkessel und Thermen kleben müssen, damit ersichtlich ist, ob das Gerät energieeffizient ist. Und: In Zukunft soll es möglich sein, den Führerschein zu Hause zu lassen, wenn er über das Handy abrufbar ist. Technisch umsetzbar sein soll das ab 2026.

Weitere rund 50 Maßnahmen sollen nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums bis spätestens Mitte 2026 »kabinettsreif« sein. Mit denen wird eine »Entlastung« in Höhe von mehreren Milliarden Euro angestrebt. Eine sogenannte »Work-and-Stay-Agentur« mit einem digitalen Portal soll zum Beispiel als zentrale Anlaufstelle für ausländische Fachkräfte eingerichtet werden. Nicht fehlen dürfen natürlich die von der Immobilienlobby vehement eingeforderten Änderungen im Baurecht: Von »nicht zwingenden technischen Standards« soll bald leichter abgewichen werden dürfen. Auch beim Arbeitsschutz wird entlastet: Demnach soll die Verpflichtung für Betriebe mit weniger als 50 Beschäftigten entfallen, einen Sicherheitsbeauftragten zu benennen. Außerdem in Aussicht: Künstliche Intelligenz soll in der mit Flucht und Migration befassten Bürokratie zum Einsatz kommen, und wer ein E-Auto fährt, soll keine Umweltplakette mehr aufkleben müssen.

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) erklärte zu den Vorhaben, die Regierung arbeite gemeinsam daran, das Leben in Deutschland einfacher und unkomplizierter zu machen. Das sei »auch entscheidend, damit in Deutschland mehr investiert wird«. Die heutigen Beschlüsse seien »ein wichtiger Schritt – weitere werden folgen«. Grundsätzlich hat die Regierung das Ziel ausgegeben, die »Bürokratiekosten« für die »Wirtschaft« um 25 Prozent zu reduzieren.

Die Regierung habe nun einen konkreten Plan für langfristigen Bürokratierückbau, jubelte Digitalminister Karsten Wildberger (CDU): »Damit schalten wir das Entlastungspaket scharf – in Umfang, Struktur und Konsequenz ist das ein Ergebnis, wie Deutschland es seit vielen Jahren nicht erlebt hat.« Wildbergers neu geschaffenes Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung soll die Fäden beim »Bürokratieabbau« zusammenführen.

Die »Wirtschaft«, also die Konzernlobby, zeigte sich zufrieden mit den Beschlüssen. Die Hauptgeschäftsführerin der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Helena Melnikov, erklärte, es sei gut und überfällig, dass die Regierung den Bürokratieabbau endlich ganz oben auf die Agenda gesetzt habe. Der Beamtenbund DBB indes kritisierte, die Bundesregierung dürfe nicht nur kurzfristige Kosteneinsparungen für Unternehmen im Blick haben. Es dürfe nicht darum gehen, unliebsame Schutzstandards abzubauen. DBB-Chef Volker Geyer: »Wenn dadurch die Zahl der Arbeitsunfälle und die entsprechenden Folgekosten steigen, ist nichts gewonnen – im Gegenteil.«

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (6. November 2025 um 08:51 Uhr)
    Ihre wichtigste Vorleistung zum Bürokratieabbau hat die Bundesregierung dabei noch gar nicht erwähnt: Wenn wir nämlich alle kriegstüchtig gemacht und in einen Atomkrieg geführt worden sind, gibt es überhaupt keine Bürokratie mehr. Zwar auch kein Land und keine Menschen mehr. Aber Bürokratiemonster eben auch nicht.