Schuster, Masanetz, Plathe
Von Jegor Jublimov
»Mit einem Jodeldiplom hat man als Frau etwas Eigenes«, stellte Evelyn Hamann einmal in einem Loriot-Sketch fest. Was Eigenes, auch ohne Diplom, hat Susi Schuster seit 80 Jahren, denn mit fünf fing die seit Montag 85jährige gebürtige Zwickauerin zu jodeln an. Ihre Mutter saß auf dem Kran im Reichsbahnausbesserungswerk (RAW), und der Vater, ein Musiklehrer, verhalf der Siebenjährigen zu ersten öffentlichen Auftritten. Mit der Zeit erlernte sie, sieben Instrumente zu spielen, und gemeinsam mit den bekannten »Vier Brummers« war sie ab 1958 mit Titeln wie »In the Mood« und »Siebentausend Rinder« auf allen Unterhaltungsbühnen der DDR zu Hause. Auch für ihre Twistauftritte war sie berühmt. Mit 70 wollte sie ihre Laufbahn beenden, wird aber immer mal wieder rückfällig. Bei ihren Besuchen auf dem MDR-»Riverboat« war sie quirlig und von den Moderatoren kaum zu bändigen. Wünschen wir ihr und uns, dass es noch eine Weile so bleibt.
Ob Susi Schuster auch Titel von Guido Masanetz gesungen hat? Der aus Mähren stammende »Spätmeister« der Operette in der DDR schrieb auch Schlager, etwa »Bunte Lampions« für Rudi Schuricke oder »Seemann, hast du mich vergessen?«, der seinem bekanntesten Werk »In Frisco ist der Teufel los« über die Prohibitionszeit in den USA entstammt. Von der Komischen Oper in Berlin wird es ab dem 21. Dezember semikonzertant präsentiert. Der Komponist kann es nicht mehr miterleben, denn er starb am 5. November vor zehn Jahren im biblischen Alter von 101. Er leitete fünf Jahre lang das Volkskunstensemble der DDR, nachdem er 1951 bei den Weltfestspielen der Jugend in Berlin die Kantate »Mehr Kohle für den Frieden« uraufgeführt hatte, schrieb Musiken für Trickfilme, dirigierte eigene Bühnenwerke, und wenn es nun endlich eine Masanetz-Renaissance geben sollte, muss unbedingt an »Vasantasena« gedacht werden, ein Musical von 1978 nach indischen Motiven von Lion Feuchtwanger in der Bearbeitung von Peter Ensikat.
Vielleicht hat der junge Walter Plathe um 1960 im »Theater der Freundschaft« Harald Hausers Stück »Häschen Schnurks« mit der Musik von Masanetz gesehen. Ihn zog es früh zur Bühne, so im Jugendstudio des Kabaretts »Distel«. Nach der Schauspielschule ging er nach einem Schweriner Zwischenspiel mit 25 Jahren ans »Theater der Freundschaft«, wo er vielfach auf der Bühne stand. Zu dieser Zeit kamen auch Film und Fernsehen an dem gutaussehenden jungen Schauspieler nicht vorbei. NVA-Leutnant Riedel in »Ein Katzensprung« war 1977 seine erste Defa-Hauptrolle. Dass er sich zum Charakterdarsteller entwickelt hatte, zeigte er 1983 in der Serie »Märkische Chronik«. Er moderierte, sang Couplets von Otto Reutter, aber im Sommer 1989 »machte er rüber«. Im Westen wurde er von 1992 bis 2009 in 181 Folgen »Der Landarzt« und vieles mehr, und als Urberliner aus der Ackerstraße gab er seine Begeisterung für Heinrich Zille weiter, als er ihn ab 2009 mehrfach in einem von Horst Pillau für ihn geschriebenen Stück verkörperte. Am 5. November wird Plathe 75 und tritt jetzt etwas kürzer, nachdem ihm die Gesundheit ein Warnzeichen gesetzt hat.
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