Gegründet 1947 Montag, 17. November 2025, Nr. 267
Die junge Welt wird von 3063 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 04.11.2025, Seite 10 / Feuilleton
Nachruf

Ihr eigenes Lied

Zum Tod der Schauspielerin und Autorin Maria Riva
Von Marc Hairapetian
imago312679431.jpg
»Die Dietrich hatte den scharfen Berliner Humor. Aus der Veranstaltung, die wir hier heute erleben, hätte sie sich einen Jux gemacht: ›Schon wieder dieser Quatsch!‹« – Maria Riva (1990)

Kinder berühmter Eltern haben es oft nicht leicht. Vor allem, wenn sie in deren übergroße schauspielerische Fußstapfen treten. So war es auch bei Maria Elisabeth Riva, der Tochter von Deutschlands bis heute größtem Weltstar Marlene Dietrich (27.12.1901, Berlin-Schöneberg – 6.5.1992, Paris). Die am 13. Dezember 1924 ebenfalls in Berlin geborene Actrice und Autorin ist nun am 29. Oktober in Gila, New Mexico, im biblischen Alter von 100 Jahren gestorben. Als wir uns das erste Mal im Filmhaus Berlin am Potsdamer Platz zum Interview trafen, war sie 75 und noch voller Elan. Unvergesslich ist mir, wie sie damals auf dem Fußboden mit meiner damals einjährigen Tochter Laetitia-Ribana, inzwischen selbst Schauspielerin, spielte und gleichzeitig meine Fragen beantwortete.

Maria Riva hatte den Nachlass ihrer Mutter an die Stadt Berlin verkauft, die sie zu großen Teilen der Deutschen Kinemathek überließ. Mit dem Umzug in das Haus am Potsdamer Platz wurde am 25. September 2000 das Filmmuseum Berlin eröffnet. Mit dabei waren auch Sanya Timmons, die Gattin von Ernst Lubitsch, und deren gemeinsame Tochter Nicola. Maria Riva hatte bei aller Liebe einen kritischen Blick auf ihre Mutter. Sie warf ihr eine gewisse Gefühlskälte im Umgang vor, vor allem mit ihrem Vater, dem Regieassistenten Rudolf Sieber: »Sie war ein preußischer Soldat«, sagte sie mir. »Die preußisch sorgsam umzusetzende Pflicht bestand für sie darin, die Dietrich im Film und im Leben so herzustellen, wie man sie fortan öffentlich wahrnahm.« Wenn man die Augen schloss und Maria Riva zuhörte, glaubte man, ihre Mutter vor sich zu haben. »Die Dietrich hatte den scharfen Berliner Humor. Aus der Veranstaltung, die wir hier heute erleben, hätte sie sich einen Jux gemacht: ›Schon wieder dieser Quatsch!‹«

Maria Rivas Mischung aus Nüchternheit und Herzenswärme hatte eine nicht zu verhehlende Attraktivität, die Emmy-Nominierungen 1952 und 1953 für ihre CBS-Fernsehspiele kamen nicht von ungefähr. Doch stets standen für sie die Belange ihrer Mutter im Vordergrund, die sie schon als Kind in »Die scharlachrote Kaiserin« (1934) und »Der Garten Allahs« (1936) auf die Leinwand geholt hatte. 1992 veröffentlichte Riva die 800seitige Biographie »Meine Mutter Marlene«. 2001 erschien die Dietrich-Doku »Her Own Song« von David Riva, einem ihrer vier Söhne. Und 2005 veröffentlichte sie die Gedichte ihrer Mutter unter dem Titel »Nachtgedanken«. Erst im hohen Alter löste sie sich etwas von ihr. In der Rolle einer demenzkranken Frau hatte sie 2018 in dem Kurzfilm »All Aboard« unter der Regie ihres Enkels John Michael Riva Jr. ihren überzeugendsten Leinwandauftritt.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besondere Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

Regio:

Mehr aus: Feuilleton