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Aus: Ausgabe vom 30.10.2025, Seite 8 / Kapital & Arbeit
Roma in der EU

Arm und abgehängt

Europäische Union: 70 Prozent der Sinti und Roma sind mittellos – und werden diskriminiert
Von Carmela Negrete
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Systematische Ausgrenzung, systematische Deklassierung einer ethnisierten sozialen Gruppe (Berlin, 8.4.2025)

Die Sinti und Roma bleiben auf europäischem Gebiet weiterhin diskriminiert. Das zeigen die Ergebnisse einer großangelegten Umfrage »Rechte von Roma und Travellern (Reisenden, jW) in 13 europäischen Ländern«, die im Auftrag der Europäischen Union letztes Jahr durchgeführt und im Oktober veröffentlicht wurde.

Demnach leben immer noch 70 Prozent von ihnen in Armut – trotz eines leichten Rückgangs ist das ein erschreckend hoher Wert. Gegenüber der Nichtromabevölkerung ist die Quote viermal so hoch. Die EU-Agentur für Grundrechte (FRA) befragte Menschen in Bulgarien, Tschechien, Frankreich, Griechenland, Ungarn, Irland, Italien, Portugal, Rumänien, Spanien, Albanien, Nordmazedonien und Serbien.

Auch wenn inzwischen mehr Angehörige der Roma in den Arbeitsmarkt integriert sind als in den Jahren zuvor und ein größerer Teil von ihnen ein Dach über dem Kopf hat, zeigt die Studie, dass Europa weiterhin zuwenig unternimmt, um sie aus Armut und Ausgrenzung zu holen. Ein Drittel der 10.126 befragten Sinti und Roma gab an, aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dieser Minderheit diskriminiert worden zu sein. Die offiziellen Zahlen der Behörden über Hassverbrechen und andere rassistische Angriffe gegen sie dürften deutlich zu niedrig sein: Nur sechs Prozent der Betroffenen melden solche Übergriffe.

Die letzte vergleichbare Studie wurde 2019 durchgeführt. Damals gaben weniger als 50 Prozent der Befragten an, einer Arbeit nachzugehen. Heute sind es 54 Prozent – doch die Arbeitssuche scheint schwieriger geworden zu sein, denn jede dritte befragte Person fühlt sich dabei diskriminiert. Auch die Wohnsituation bleibt sehr prekär: Fast die Hälfte der Familien (47 Prozent) lebt nicht in angemessenen Unterkünften, während der Anteil in der übrigen Bevölkerung der jeweiligen Länder im Durchschnitt bei 18 Prozent liegt. Dass die Roma im Schnitt acht Jahre weniger als der Rest der Bevölkerung leben, traurige Konsequenz.

Sirpa Rautio, Direktorin der EU-Agentur FRA, die die Daten gesammelt und ausgewertet hat, zeigte sich bei der Vorstellung des Berichts angesichts der nur marginalen Fortschritte enttäuscht. »Wir dürfen nicht zulassen, dass eine weitere Generation ausgegrenzt aufwächst«, so Rautio. Die Länder der EU müssen »wesentlich mehr tun, um Antiziganismus und Diskriminierung zu bekämpfen und sicherzustellen, dass Roma und Reisende ihre Grundrechte vollumfänglich genießen können.«

Insbesondere die Kinder leiden darunter. 46 Prozent von ihnen sind Opfer einer De-facto-Segregation, denn in ihren Schulen sind die meisten anderen Kinder auch entweder Roma oder Migranten, was ihren Ausweg aus der Armut verbaut und Diskriminierung für Generationen zementiert. »Dieser Bericht zeigt, dass der Antiziganismus weiterhin das Leben von Roma und Reisenden in der EU zerstört«, sagte Rautio, die seit 2023 die EU-Agentur leitet. Die Regierungen müssen nicht nur den Zugang zu Arbeit und Wohnung garantieren, sondern auch »ein Leben frei von Diskriminierung und Vorurteilen«.

Auch in Deutschland sind Sinti und Roma in allen Bereichen häufiger Opfer von Diskriminierung als der Rest der Gesellschaft, wie die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) im Juni festgestellt hat. Besonders alarmierend ist, dass sich 22 Prozent der Fälle von Diskriminierung ausgerechnet beim Kontakt mit Behörden wie der Polizei ereigneten. Auch in Schulen seien Hunderte Fälle registriert worden, wo die Diskriminierung sogar von Lehrkräften ausging. Antiziganistische Äußerungen von Politikern kommen besonders häufig bei der AfD vor, wie die dokumentierten Fälle zeigten.

Die letzte Bundesregierung hatte noch im letzten Jahr eine Kommission gegen Antiziganismus eingesetzt, nachdem festgestellt wurde, dass sich die Zahl der Angriffe auf Roma von 2022 auf 2023 verdoppelt hatte. Doch bis heute gibt es eine Meldestelle für solche Attacken nur in sechs Bundesländern. Von der aktuellen Regierung hat man bisher dazu nicht viel gehört.

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