Hightechregierung
Von Gudrun Giese
Während an vielen Orten der Welt die Produktion von Hightechgütern längst zum Alltag gehört, beginnt die Bundesregierung erst, sich auf den Stand der neuesten Technologieentwicklungen zu bringen. Deshalb hat sie im Juli eine »Hightechagenda Deutschland« beschlossen, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.
An großen Worten wird nicht gespart: So solle »Made in Germany« wieder zum Markenzeichen für Innovation und moderne Technologien werden. Die Bundesregierung will das Land gleich »zum führenden Standort« für Hightech machen. Die Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik soll so ausgerichtet werden, dass mehr Wertschöpfung, Wettbewerbsfähigkeit und Unabhängigkeit in diesem Sektor entstehen können. Vor allem durch Investitionen in die »Schlüsseltechnologien« künstliche Intelligenz, Quantentechnologien, Mikroelektronik, Biotechnologie, klimaneutrale Energieerzeugung sowie Technologien in klimaneutraler Mobilität sollen die Wirtschaftskraft gestärkt, neue Arbeitsplätze geschaffen und Deutschland damit unabhängiger von Importen werden. Damit ist die Bundesregierung allerdings reichlich spät dran, denn alle sechs genannten Technologiebereiche sind seit vielen Jahren essentiell für neue Produktionsformen. Vermutlich ist die jetzt forcierte Hightechagenda in erster Linie von der aktuellen Wirtschaftskrise in nahezu allen traditionellen Fertigungsbereichen wie dem Maschinenbau, der Automobil- und der Chemieindustrie getrieben.
Weitere Antriebskräfte dürften die »Sondervermögen« sein, denn selbstredend will die Bundesregierung nicht nur in Gesundheits-, Klima- und Nachhaltigkeitsforschung investieren, sondern ausdrücklich auch in Luft- und Raumfahrt sowie in die »Sicherheits- und Verteidigungsforschung«, wie es auf der Website der Bundesregierung dazu heißt. Alles soll schneller und entschlossener gehen. Doch neben Absichtserklärungen zu neuen Förderinstrumenten, Public-Private-Partnerships und der Definition des Staates als »Ankerkunde« für Hightechprodukte findet sich wenig Konkretes. Mit zwei Ausnahmen: Beim »Aktionsplan Fusion« will die Regierung nicht kleckern, sondern klotzen. Auf der Erde soll imitiert werden, was die Sonne seit Jahrmillionen zum Energiegiganten macht. Das dürfte ein langwieriges Unterfangen werden, denn an Fusionsenergie haben sich schon viele Forscher versucht. Nun sollen bis 2029 mehr als zwei Milliarden Euro in die Fusionsforschung fließen, damit am Ende »das weltweit erste Fusionskraftwerk in Deutschland« entstehen kann.
Als zweites Vorhaben wird eine »Mikroelektronikstrategie« der Bundesregierung genannt, die »Deutschlands Rolle als führender Halbleiterstandort in Europa sichern« soll. Gerade die aktuellen Probleme, die bundesdeutsche Industrie mit Mikrochips zu versorgen, sprechen jedoch eine andere Sprache. So klagten im Oktober 10,4 Prozent der Hersteller elektronischer und optischer Produkte über Materialknappheit, wie das Ifo-Institut erfragt hatte. Im April lag die Unterversorgung noch bei 3,8 Prozent. Auch zehn Prozent der Produzenten elektrischer Ausrüstungen sind stark von den Lieferengpässen betroffen. Bei der Automobilindustrie droht wegen des Ausfalls beim Chiphersteller Nexperia ebenfalls Ungemach. So könnte Volkswagen im November gezwungen sein, wegen ausbleibender Lieferungen die Produktion zu drosseln. Die Bundesregierung scheint gleichwohl zu glauben, dass ihre »Mikroelektronikstrategie« noch rechtzeitig greifen wird, obwohl in der Zwischenzeit längst geplante Investitionen wie die von Intel in Magdeburg abgeblasen worden sind. Immerhin stockt nun der US-amerikanische Chiphersteller Global Foundries seine Produktion am Standort Dresden auf, wie am Mittwoch bekanntwurde. Das Unternehmen investiert 1,1 Milliarden Euro in die Erweiterung, was Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) als Signal für Deutschland und Europa bezeichnete. Bei einem Besuch vor Ort zeigte er sich optimistisch, dass die EU-Kommission staatliche Beihilfen für das Investment von Global Foundries durchwinken werde.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (30. Oktober 2025 um 09:51 Uhr)Der Artikel verkennt die zentrale Rolle der Akteure in der Hightechproduktion. Er suggeriert, die Bundesregierung müsse Deutschland aktiv in diesen Bereich führen – das ist, als würde man das Pferd von hinten aufzäumen. Tatsächlich sind Innovationen und Produktion Aufgabe der Unternehmen; der Staat kann lediglich die Rahmenbedingungen setzen. Indem der Artikel die Hightechagenda als Produktionsstrategie darstellt, wird der eigentliche Kern der Wirtschafts- und Innovationsdynamik völlig verkannt. Deutschland kann nur dann ein führender Hightech-Standort werden, wenn die Unternehmen Technologien entwickeln und umsetzen – nicht die Regierung.
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