Schön traurig
Von André Dahlmeyer
Die Frauen des SC Corinthians Paulista haben zum sechsten Mal – und zum dritten Mal hintereinander – die Copa Libertadores Femenina gewonnen. Im Endspiel der 17. Edition des Turniers, dieses Jahr zum zweiten Mal in Argentinien ausgetragen, besiegten sie im Estadio Florencio Sola des CA Banfield (südlicher Conurbano der Hauptstadt) Deportivo Cali im Elfmetertreten mit 5:3. Nach neunzig Minuten hatte es 0:0 gestanden. Das Stadion hat eine Kapazität von etwa 35.000 Zuschauern, es war fast leer. Corinthians hat damit alle Finals, in denen sie standen, gewonnen. Zum vierten Mal insgesamt wurde der Wettbewerb vom Punkt entschieden. Mit dem erneuten Triumph sicherte sich der »Timão« die Teilnahme an der Libertadores des kommenden Jahres und strich satte 2 Millionen US-Dollar Preisgeld ein, für südamerikanische Verhältnisse eine horrende Summe.
Das Finale wurde von beiden Frauschaften auf Augenhöhe geführt. Während sich die Brasilianerinnen deutlich mehr Ballbesitz verschafften, erwiesen sich die Cafeteras jedoch alles in allem als gefährlicher. Am Ende neutralisierten sich die Teams. Gabi Zanotti, Vic Albuquerque, Thais Ferreira, Mariza und Jhonson verwandelten ihre Strafstöße schließlich sicher für die Paulistas, bei Cali zeigten Paola García, Melanie Aponzá und Stefanie Perlaza keine Nerven – dafür jedoch die 22jährige rechte Außenverteidigerin Kelly Andrea Ibargüen: Ihr Abschluss landete an der Latte und servierte Corinthians erneut den Titel. Weil das Stadion so leer war, konnte man deutlich die Provokationen der beiden Torfrauen hören, vor allem die Brasilianerin ging betont sachlich unter die Gürtellinie.
Das Finale war das sechste zwischen Teams aus Brasilien und Kolumbien (lediglich 2018 konnte Atlético Huila den FC Santos – nach Penaltys – besiegen) und das vierte hintereinander (wohlbemerkt: bei 17 Turnieren!). Verwunderlich ist das nicht, der Frauenfußball in Brasilien ist der talentierteste des Subkontinents, der in Kolumbien der am stärksten geförderte (in Paraguay haben sie leider nachgelassen). Die letzten sieben Titel sind somit nach Brasilien gegangen, fünf davon strich Corinthians Paulista ein. Bei den Männern sieht die Dominanz ähnlich aus. Seit es keine Finalrückspiele mehr gibt, also seit 2019, ging der Wettbewerb immer (nunmehr sechs Mal) nach Brasilien, in vier dieser sechs Finals sprach man überwiegend portugiesisch. Für die aktuelle Edition droht immerhin ein Finale zwischen dem Regattaverein Flamengo aus Rio und der SE Palmeiras aus São Paulo. Muss nichts heißen, aber sie sind die zwei der vier Halbfinalisten, die Geld haben.
Zurück zu den Frauen. Beide Finalteams hatten schon in den Semis ins Elferballern gemusst. Corinthians hatte in der Gruppenphase lediglich einen Gegentreffer kassiert, im Viertelfinale Boca Juniors mit 4:0 gedemütigt und dann Ferroviária aus Araraquara (Bundesstaat São Paulo) vom Punkt eliminiert. Die beste Plazierung von Deportivo Cali war bis dato ein vierter Platz (2022). Im Spiel um Platz drei hatten sie sich ausgerechnet gegen den ewigen Rivalen der roten Teufelinnen von América de Cali geschlagen geben müssen – das auch noch mit 0:5. In Argentinien wurschtelten sie sich irgendwie durchs Turnier, ohne Ruhm, ohne Schande. Im Halbfinale eliminierten die Finaldebütantinnen dann nach einer Nullnummer vom Punkt Colo-Colo aus Santiago de Chile, das war megatragisch. Colo-Colo hatte nämlich alle Gruppenspiele und auch das Viertelfinale zu null gewonnen. Alle Tore erzielte die nationalisierte 22jährige Kolumbianerin Mary Yalenny Valencia, eine tolle Spielerin. Nur im Halbfinale traf sie nicht und auch keine andere. Bei der Lotterie vom Punkt, sie war die dritte Schützin, schoss sie über das Gehäuse. Sonst trafen alle. Das ist das Schöne am Fußball: dass er oft sehr traurig ist. Wir, die wir immer zu den Kleinen und den Außenseitern halten, haben selten was zu lachen. Aber das macht uns nur stärker, deswegen halten wir zusammen. Ist das schön? Dass ein Team, ungeschlagen und ohne Gegentor ausscheidet? Und im Spiel um Platz drei in der ersten Minute das einzige erhält?
Zum Monetären: Vize-Campeón Dep. Cali sackte 600.000 US-Dollar ein, die dritten von Ferroviária 250.000 Dollar. Colo-Colo blieb ein Startalmosen von 50.000 Dollar. Schande! Torschützenkönigin wurde wie schon letztes Jahr die 40jährige Gabi Zanotti (Corinthians).
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