Keine brauchbare Transformationsstory
Von Susanne Knütter
Die Decke ist zu kurz. So beschrieb Jan Otto die bundesweite Situation bei Volkswagen im Pressegespräch am Montag morgen. Der neue Leiter des IG-Metall-Bezirks Berlin-Brandenburg-Sachsen sei nicht dafür, Aufträge auf Kosten der anderen Standorte nach Zwickau zu holen. Er reagierte damit auch auf Forderungen des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU), die Anfang Oktober bekanntgeworden waren.
In einem Brandbrief an VW-Konzernchef Oliver Blume hatte dieser eine garantierte Mindestproduktion von 250.000 Fahrzeugen pro Jahr in Zwickau verlangt. Realistisch seien laut Handelsblatt, das zuerst berichtete, eher 200.000. Kretschmer forderte ferner die Sicherung aller 2.000 Arbeitsplätze im Motorenwerk Chemnitz und den Aufbau eines Recyclingzentrums mit rund 200 Stellen. Aus der »Gläsernen Manufaktur« in Dresden solle ein Innovationsquartier werden, angemietet und genutzt von der TU Dresden. Dafür forderte er 100 Millionen Euro Forschungsgelder, gestreckt über zehn Jahre.
VW wiegelte ab und bietet statt zehn Millionen pro Jahr nur 1,5 Millionen Euro. Über die anderen Forderungen zu Produktionsvolumen, Werksbelegung und Beschäftigung zeigte sich der Konzern irritiert, denn das habe man ja mit der Beschäftigtenvertretung »bereits eindeutig« vereinbart. Gewerkschaftssekretär Otto freute sich am Montag zwar über die Initiative des sächsischen Ministerpräsidenten, aber auch er gab zu verstehen: VW-Politik werde in Wolfsburg gemacht und nicht in Sachsen.
»Wir knüpfen den Deal nicht neu auf.« Gemeint ist der Sanierungstarifvertrag von Dezember 2024. Demnach sollte die Produktion in Dresden bis Ende 2025 laufen. Im E-Autowerk Zwickau sollten bis 2027 VW-E-Automodelle produziert werden, ab 2027 immerhin noch der Audi Q4 e-tron. Für Chemnitz brauchte es ein neues Konzept für die Zeit nach 2035. Dort befindet sich zwar eines der modernsten Motorenwerke in Europa – aber es produziert ausschließlich Verbrennermotoren.
Nun ist die Nachfrage so schlecht, dass die Produktion in Zwickau und Dresden seit Montag für eine Woche ruht. Auch für Hannover und Osnabrück stehen Schließtage fest. Alles in allem sei die Geschichte von Zwickau keine brauchbare Transformationsstory: Das Werk wurde komplett auf E-Mobilität umgestellt und dann »massiv rasiert«, resümierte Otto. Auf Recycling umzustellen sei interessant, aber auch da komme es auf den Aufgabenumfang an. »Bekommen wir nur die Verwertung oder auch die Steuerung?« Davon hänge ab, ob der Osten wieder einmal nur verlängerte Werkbank für den Westen bleibe.
Von dem Autogipfel am Donnerstag im Kanzleramt forderte der Gewerkschafter den »dringend notwendigen Schub« für Elektromobilität. Dazu gehörten eine »industriepolitische Initiative« für die europäische Wettbewerbsfähigkeit, der »schnellere Ausbau der Ladeinfrastruktur«, bessere Kaufanreize für E-Autos und eine Batteriewertschöpfungskette in Deutschland. Er machte deutlich, eine »weitere Deindustrialisierung würde politische Folgen nach sich ziehen, die niemand mehr kontrollieren könnte«. Zugleich stellte Otto fest, dass es in den Werken im Osten nicht das gleiche Problem mit rechten Verbänden wie dem »Zentrum Automobil« gebe wie in manchem Werk im Westen.
Während über die Zukunft der Standorte in Zwickau und Dresden heiß diskutiert wird, hat die Debatte um das Chemnitzer Verbrennermotorenwerk gerade erst begonnen. VW gehört, wie der Verband der deutschen Automobilindustrie, zu den Befürwortern einer längeren Verbrennerproduktion. Und auch die IG-Metall-Chefin spricht sich inzwischen für einen pragmatischen Umgang mit Hybridtechnologien und alternativen Kraftstoffen, auch über 2035 hinaus, aus. Bei dem Autogipfel am Donnerstag könnte das Thema am Ende mehr Raum einnehmen, als die IG Metall sich womöglich erhofft.
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